Von den Kunststoffen aus Polymethylacrylat (PMA) ist es in chemischer Hinsicht lediglich ein Schritt zum Plexiglas, also dem Polymethylmethacrylat (PMMA), dessen Produktion bei Röhm & Haas AG ab dem Jahr 1928 anlief (Hölscher 1972, 121). Im Unterschied zur Acrylsäure weist die Methacrylsäure eine Methylgruppe (CH3) auf bzw. leitet sich von ihr ab „durch die Ersetzung von 1 At. Wasserstoff in derselben durch 1 At. Methyl“ (Frankland/Duppa 1865, 13; siehe auch Trommsdorff 1976, 224). Der kleine Unterschied ist wichtig für die Eigenschaften der betreffenden Polymerisate, zum Beispiel deren Löslichkeit, Flexibilität und Härtegrad:
„Im Zuge seiner Acrylsäuresynthese-Forschung war Walter Bauer bereits 1919 auf die Methacrylate als nächste Homologe der Acrylate gestoßen, hatte sie jedoch nicht weiter erforscht. Erst acht Jahre später, als die Materialeigenschaften der Acrylate weitgehend bekannt waren, drängte er auf die Prüfung der Methacrylate zum Vergleich. Otto Röhm stellte diese Arbeit zunächst zugunsten von LUGLAS zurück. Zwei Jahre später setzte Walter Bauer seine Forschungsarbeit mit dem Ziel fort, die Eignung der Methacrylate für Verbundglas zu überprüfen. Dazu untersuchte er systematisch die Eigenschaften der wichtigsten Homologe der Methacrylate, allen voran die des Methacrylsäuremethylesters (MMA), und betrieb deren Polymerisation. Dabei stellte sich heraus, dass Polymethacrylsäuremethylester (PMMA) im Gegensatz zu den bisher erforschten Acrylaten (Polyacrylsäuremethylester und seine Homologe) ein harter, durchsichtiger Werkstoff war.“ (Wittig 2007, 35-36)
Der Nutzen war mit Händen zu greifen: „dort, wo die Acrylate zu weich oder zu klebrig waren bzw. stark quollen, konnten solche Schwierigkeiten mit Hilfe der Methacrylate ausgeglichen werden“ (Wittig 2007, 43), denn „der polymere Methylester“ stellt „das härteste Polymerisat mit dem höchsten Erweichungspunkt“ dar (Trommsdorff 1976, 232).
„Für die Verwendung als Kunststoffe kommen Polymerisate von Methacrylsäure und ihrer Verbindungen, wie Ester, Salze, oder das Amid der Methacrylsäure in Betracht“, heißt es in der Patentschrift zu dem der Röhm & Haas AG erteilten Patent „Kunststoff“ (DRP 656642 vom 27. Oktober 1928 ab, Erfinder: Dr. Walter Bauer). Als Anwendungsbeispiele für den polymerisierten Methacrylsäureester werden Formkörper oder elastische Filme, z. B. Membrane für Auskleidungen oder Überzüge, sowie Lacke und Harze genannt. Vom Potenzial eines organischen Glasersatzes ist hier lediglich am Rande die Rede:
„Es ist bereits vorgeschlagen worden, polymerisierten Itakonsäureester als Kunststoff und insbesondere als Glasersatzkörper zu verwenden. Die vorliegende Erfindung bezieht sich ausschließlich auf die Verwendung der funktionellen Derivate der Homologen der Acrylsäure. Ein Vergleich der Eigenschaften von Polymerisaten gemäß der Erfindung mit Polyitakonsäureester zeigt neben gleichen Eigenschaften, wie glasklare Durchsicht, weitgehende Überlegenheiten nach verschiedenen Richtungen hin. Polyitakonsäureester ist verhältnismäßig spröde, während z. B. Polymethacrylsäureester verhältnismäßig zäh sind, welche Eigenschaft für viele Kunststoffe von erheblicher, gegebenenfalls ausschlaggebender Bedeutung ist. Polyitakonsäureester gehen bereits bei Temperaturen von etwa 40 bis 50° in einen weichen, mehr oder weniger geschmolzenen Zustand über. Dagegen lassen sich Polymethacrylsäureester auf Temperaturen von 100° und mehr erhitzen, ohne daß sie schmelzen oder nachteilig verändert werden.“