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26.02.2020

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Deutliche Prüfzeitverkürzung erleichtert GFK-Einsatz im Auto - Gemeinschaftsentwicklung von Aachener IKV und Ford R&I-Center

Realitätsnahe Prüfungen alternativer Bauteile für moderne Automobile sind elementare Voraussetzung für ihren Einsatz anstelle herkömmlicher Metallbauteile. Deshalb entwickelte das Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) an der RWTH Aachen gemeinsam mit dem Ford Research and Innovation Center Aachen ein Prüfprogramm, welches eine Vorhersage der Lebensdauer glasfaserverstärkter Kunststoffbauteile unter realistischen Lastbedingungen ermöglicht. Es gelang sogar, die Prüfzeiten auf ein Minimum zu reduzieren.

Leichtbaulösungen gewinnen aufgrund stetig steigender Anforderungen an die Effizienz von Kraftfahrzeugen immer mehr an Bedeutung. So werden zur Erhöhung der Reichweite bei gleicher Größe der Batterie in Elektrofahrzeugen oder zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs, auch in strukturellen Bauteilen, metallische Werkstoffe durch Kunststoffe ersetzt. Typisches Beispiel ist die Blattfeder aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK). Neben den günstigen Ermüdungs- und Korrosionseigenschaften sind mit der GFK-Blattfeder erhebliche Masseneinsparungen gegenüber Stahllösungen realisierbar. Da die Blattfeder im Einsatz schwingenden Belastungen unterliegt, werden geeignete GFK-Werkstoffe in Ermüdungsversuchen bis zum Erreichen eines Versagenskriteriums beansprucht. Dies erfolgt in der Regel unter Dreipunktbiegung, wobei der Probekörper an seinen Enden auf Lagern aufliegt und mittig von einem verfahrbaren Stempel durchgebogen wird - und das bis zu mehreren Millionen Mal hintereinander.

Allerdings spiegeln diese Versuche die Belastungsgeschichte einer Blattfeder im Fahrzeug nicht realistisch wider. Deshalb entwickelten die Forscher am IKV in Zusammenarbeit mit dem Ford Research and Innovation Center Prüfprogramme, welche eine Vorhersage der Lebensdauer unter realistischen Lastbedingungen ermöglichen. Dazu wurde zunächst ein Straßenlastprogramm aus echten, am Fahrzeug gemessenen Lasten für die Prüfung auf Probekörperebene abgeleitet. Der Lastverlauf wurde dabei auf die Probekörperebene gewissermaßen übersetzt, sodass daraus eine Weggeschichte für den Probekörper entstand. Dieses explizite Prüfprogramm eignet sich auch für den Vergleich unterschiedlicher GFK. Der Stempel des Dreipunktbiegeversuches fährt dabei eine ganze Weggeschichte ab, sodass kein Belastungszyklus dem anderen gleicht.

Da der realistische Straßenlastverlauf einen hohen Prüfaufwand und lange Prüfzeiten mit sich bringt, gingen die Forscher am IKV noch einen Schritt weiter: Mithilfe der sogenannten Rainflow Zählung wurde die explizite Weggeschichte wieder in eine zyklische Belastung vereinfacht, in der einzelne Belastungsblöcke mehrmals vorkommen können. Die besondere Herausforderung an dieses Prüfprogramm bestand darin, dass es die gleiche Schädigungsentwicklung zeigen soll, wie der ausführliche Straßenlastverlauf. Die Forscher am IKV konnten diese Herausforderung meistern, sodass es fortan möglich ist, die Lebensdauer von GFK-Blattfederwerkstoffen in nur 60 Prozent des Zeitbedarfes des Straßenlastfalls zu prüfen. Durch Prüfung auf Probekörperebene sind sogar Zeiteinsparungen von bis zu 99 Prozent gegenüber Komponentenversuchen erreichbar.

30. Internationales Kolloquium Kunststofftechnik, 11.-12. März 2020, Aachen

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