Jährlich werden 450 Millionen Tonnen Plastik weltweit produziert. Nach wie vor stellen fossile Ressourcen die Basis für die Herstellung von Kunststoffen dar. Eine Herausforderungen, der sich die Kunststoffindustrie gegenüber sieht, ist es, der Vorderung nach vollständig biologisch abbaubaren Polymermaterialien gerecht zu werden. Wichtig Ansätze auf dem Weg zum Ziel, ist die Nutzung entsprechen regenerativer Rohstoffe, obgleich auch diese Zutat nicht per se den resultierenden Kunststoff am Ende der Prozesskette nachhaltiger macht. Als wichtiger Ausgangsstoff für Biopolymere stellen Polyhydroxyalkanoate (PHA) dar. PHA werden als Biokunststoff bezeichnet, weil PHA ähnlich thermoplastisch verformbar ist wie Kunststoff aus fossilen Rohstoffen. „Aber das war es dann auch schon an Gemeinsamkeiten“, sagt Dr.-Ing. Sebastian L. Riedel, der zusammen mit Dr.-Ing. Stefan Junne an der Herstellung von PHA forscht. Außerdem, auch Bioplastik ist nicht gleich Bioplastik. „Die Hälfte der zwei Millionen Tonnen Bioplastik, die derzeit pro Jahr weltweit produziert werden, ist biologisch nicht abbaubar und die andere Hälfte teilweise nur schwer“, sagt Riedel. PHA jedoch, sei etwas ganz anderes, weil es im Wasser und Boden vollständig zu Kohlenstoffdioxid und Wasser abgebaut werde und für die Gesundheit mit keinem Risiko verbunden sei.
Die Substanz kann aus vielen Stoffen gewonnen werden – aus Mais, Zucker, Glycerin oder Palmöl. Sebastian L. Riedel und Stefan Junne jedoch schwebte ein Ausgangsprodukt vor, dass das Klima nicht belastet und kein Nahrungs- oder Futtermittel ist wie zum Beispiel Mais. Denn auch einen solchen Ausgangsstoff halten sie für problematisch. Auf der Suche nach einer Alternative entschieden sie sich unter anderem für Abfallfette, die unter anderem in der Landwirtschaft (Tierkadaver), in der Gastronomie oder bei der Weiterverarbeitung von Lebensmittelabfällen anfallen.
Wie aber wird aus braunem Fett jenes PHA, das einmal wie feinstes weiß schimmerndes Seidenpapier daherkommt oder die Konsistenz von Waschpulver oder Popcorn haben kann? „Das bewerkstelligen Bakterien namens Ralstonia eutropha beziehungsweise Cupriavidus necator, auch als Knallgas-Bakterien bekannt. Die lassen wir für uns ‚malochen‘“, lacht Riedel. „Wir setzen sie in eine Mineralsalzlösung, füttern sie mit Stickstoff, Phosphor, Sauerstoff und Kohlenstoff, den wir in Form von Abfallfetten hinzugeben. Dann lassen wir sie wachsen. Nach einer bestimmten Zeit entziehen wir den Bakterien den Stickstoff. Auf diesen Mangel reagieren sie, indem sie den nun überschüssigen Kohlenstoff im Abfallfett als Energiereserve in ihren Zellen anlegen und in PHA umwandeln."
Gäbe man nach einer gewissen Zeit wieder Stickstoff hinzu, würden die Bakterien erst einmal das intrazellulär gespeicherte PHA als Energiequelle nutzen. Das würden die Wissenschaftler natürlich nicht machen, schließlich wollen sie das in den Zellen produzierte PHA gewinnen. "Wir extrahieren es mit Lösungsmitteln, die teilweise nach dem Prozess wieder zurückgewonnen werden können“, erklärt Riedel. Die Forscher arbeiten an alternativen Aufarbeitungsmethoden, die den Prozess langfristig kostengünstiger und noch nachhaltiger machen sollen.
Sebastian L. Riedel hatte seine Forschungen an PHA vor zehn Jahren am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA begonnen. Damals arbeitete er mit Palmöl als Basis. „Das ist ein super unkomplizierter Ausgangsstoff für die Produktion der Substanz“, sagt Riedel. Allerdings können man aufgrund der Regenwaldproblematik bei Palmöl nicht von einer nachhaltig erzeugten Ressource sprechen.
Als Riedel 2012 an die TU Berlin kam, stellte er seine Arbeit mit Palmöl ein. Seit 2017 baut er seine PHA-Forschung mit biogenen Reststoffen am Fachgebiet Bioverfahrenstechnik aus, das sich der Entwicklung nachhaltiger Bioprozesse verschrieben hat.