In vielen Lebensbereichen werden erdölbasierte Kunststoffe durch biobasierte ersetzt, auch beim Einsatz von Mikrokapseln. Diese werden z. B. zur Verkapselung von Duftstoffen in Waschmitteln oder in Kosmetik eingesetzt. Die Biokunststoffe werden dabei zwar aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt, sie müssen aber chemisch modifiziert werden, damit das Material z. B. länger haltbar wird. Doch inwieweit sind diese modifizierten biobasierten Mikrokapseln noch bioabbaubar? Dieser Frage widmet sich ein Forscher-Team des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP.
Naturstoffe sind von sich aus bioabbaubar. Sie unterliegen einem natürlichen Zersetzungsprozess, bei dem organische Materie durch Enzyme der im Boden lebenden Mikroorganismen abgebaut wird. Werden Naturstoffe allerdings chemisch modifiziert, kann sich das negativ auf ihre Bioabbaubarkeit auswirken.
Datenbank zur Bioabbaubarkeit von Mikrokapseln
Mit Hilfe eines Testsystems kann für unterschiedlichste Proben der Sauerstoffbedarf während des Bioabbaus in Frischwasser, Meerwasser oder auch im Boden ermittelt werden. Abb. Fraunhofer IAP
Bereits seit über 25 Jahren werden am Fraunhofer IAP Mikrokapseln für verschiedenste Anwendungen entwickelt – von verkapseltem Schmiermittel für bewegte Kunststoffbauteile wie Zahnräder oder Gleitlager über Düngemittel, die im Boden über einen langen Zeitraum freigesetzt werden, bis hin zu Pigmenten, die in Agrar- bzw. Gewächshausfolien den Lichteinfall steuern. Im Fokus der Entwicklungen steht auch immer die Nachhaltigkeit des Wandmaterials, denn auch kosmetische und hygienische Produkte wie Duschbäder, Shampoos oder Waschmittel enthalten Mikrokapseln aus modifizierten Naturstoffen, etwa Gelatine. Dieses Biopolymer wird oftmals als Wandmaterial von Mikrokapseln eingesetzt, die beispielsweise einen Duftstoff einhüllen und dafür sorgen, dass dieser nach und nach über einen längeren Zeitraum freigegeben wird. "Bisher gibt es in der Fachliteratur nur sehr wenige Daten zur Bioabbaubarkeit von Mikrokapseln, bzw. Partikeln im Größenbereich von ca. einem Mikrometer bis zu einigen Millimetern. Wir wollen daher verschiedene modifizierte Naturstoffe untersuchen und eine Datenbank mit Informationen zu deren Bioabbaubarkeit aufbauen", erklärt Kathrin Geßner, Ingenieurin in der Abteilung Mikroverkapselung und Polysaccharidchemie am Fraunhofer IAP. "Diese Daten werden nicht nur für Mikrokapseln interessant sein, sondern auch für eine Vielzahl anderer Anwendungen, bei denen Biokunststoffe in den Boden gelangen. Damit erweitern wir auch unser Portfolio in Bezug auf die Entwicklung von Mikrokapseln", so Geßner.
Prüfung der Bioabbaubarkeit in Frischwasser, Meerwasser oder im Boden
Um eine Aussage über die Bioabbaubarkeit treffen zu können, führen die Forscherinnen und Forscher einen manometrischen Respirationstest gemäß OECD 301 F in Anlehnung an DIN EN ISO 14851 durch. Als Messwert erhalten die Forscher direkt den Sauerstoffbedarf der Probe. Ist deren Summenformel bekannt, kann daraus der theoretische Sauerstoffbedarf und schließlich der biochemische Sauerstoffbedarf, kurz BSB, berechnet werden. Wird für die zu untersuchende Substanz ein Abbauwert von 60 Prozent des theoretischen Sauerstoffbedarfs erreicht, gilt diese nach OECD 301 F als biologisch abbaubar.
"Wir entwickeln unter anderem Mikrokapselmaterialien, die im wässrigen Medium bei 20 °C innerhalb von 28 Tagen biologisch abgebaut werden. Die Mikroorganismen besorgen wir uns für jede Messung frisch aus dem Klärwerk", sagt Geßner. Das eingesetzte Messsystem wurde aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft BMEL im Rahmen des Projektes "Verbesserung der Bioabbaubarkeit von modifizierten biobasierten Polymeren durch Einsatz mikroverkapselter Enzyme - Enzymics" (Förderkennzeichen 22014118) der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. angeschafft.
Im Verarbeitungstechnikum für Biopolymere am Standort Schwarzheide des Fraunhofer IAP steht noch ein weiteres Testverfahren zur Verfügung, bei dem der verbrauchte Sauerstoff nicht nur gemessen, sondern auch direkt wieder ersetzt wird. Dadurch können auch bei hohen Sauerstoffverbräuchen immer aerobe Abbaubedingungen aufrechterhalten werden. Zusätzlich kann hier auch die Bildung von Kohlendioxid, welches beim Probenabbau entsteht, gemessen werden.
Mit den beiden Messsystemen können die Proben in verschiedenen Prüfmedien untersucht werden. So kann die Bioabbaubarkeit in Frischwasser, Meerwasser oder im Boden simuliert und vielfältige Informationen für die Datenbank gesammelt werden.
Gelatine, Gummi Arabicum, Celluloseacetat
In ihren Untersuchungsreihen bestimmen die Forscherinnen und Forscher die Bioabbaubarkeit kommerziell erhältlicher Biopolymere vor und nach ihrer Modifizierung. Dabei kann es sich sowohl um eine chemische Modifizierung als auch um eine Umformung des Polymers mit einer sich anschließenden chemischen und/oder ionischen Vernetzung handeln. Der letzte Fall liegt beispielsweise vor, wenn Mikrokapseln hergestellt werden.
"Bis Ende 2020 möchten wir alle bei uns routinemäßig eingesetzten Biopolymere und deren Modifikationen untersuchen. Erste Untersuchungen mit Gelatine und Gummi Arabicum deuten darauf hin, dass viele der üblicherweise durchgeführten Modifikationen nur einen geringen Einfluss auf deren Bioabbaubarkeit haben. Anders scheint es sich dagegen mit Celluloseacetat zu verhalten: Je nach Art der Modifikation, kann die Bioabbaubarkeit auch komplett verloren gehen", erklärt Geßner.
Weitere Biopolymere, die das Forscher-Team unter die Lupe nehmen will, sind Alginat, Carrageen und Polylactid. Neben Mikrokapseln und Partikeln werden auch weitere im Fraunhofer IAP entwickelte Materialien und Produkte hinsichtlich ihrer Bioabbaubarkeit untersucht, z. B. Blends und Compounds aus marktgängigen bzw. im Haus entwickelten modifizierten Biokunststoffen wie PLA, PBS, PBSA, PBAT und stärke- sowie cellulosebasierte Kunststoffe.