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06.03.2025

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IKT: Podiumsdiskussion des 29. Stuttgarter Kunststoffkolloquiums beleuchtet besten Kurs hin zu einer erfolgreichen Kreislaufwirtschaft

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf dem Kunststoffkolloquium des Instituts für Kunststofftechnik (IKT) der Universität Stuttgart rangen am Freitag, den 21. Febraur 2025, der Staatssekretär im Baden-Württembergischen Umweltministerium, Dr. Andre Baumann, sowie Stephan Garvs, Geschäftsführer des Recyclingunternehmens PreZero Dual GmbH, Neckarsulm, und Dr. Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands Kunststoff verarbeitende Industrie e.V. (GKV), Berlin, um den besten Kurs in Richtung einer erfolgreichen Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen.

Die drei Diskutanten sahen unter der Moderation von Susanne Schröder, Chefredakteurin des Branchenmagazins "Kunststoffe", noch erhebliche "Hausaufgaben", die auf dem Weg der Kunststoff-Branche in eine nachhaltige Zukunft zu erledigen seien. Vor allem Unsicherheiten im Blick auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen wie auch auf die kurzfristig notwendigen Investitionen scheinen die nötige Entwicklung noch zu verzögern.

Zu Beginn legte Staatssekretär Baumann dar, dass die Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen nicht nur aus Umweltschutzgründen sinnvoll sei: "Wir stehen in einer großen Abhängigkeit von Rohstoffen etwa aus China. Da müssen wir unabhängiger werden! Wir müssen die Kreislaufwirtschaft leben, schon aus rein ökonomischen Gründen." Dabei ginge es weniger um Moral, denn das Projekt lohne sich: "Wir brauchen Geschäftsmodelle, die Circular Economy lohnend machen. Sobald wir die haben, wird die Wirtschaft mitmachen." So plädierte er zum Beispiel auch dafür, nach Wegen zu suchen, das chemische Recycling unideologisch voranzubringen.

"Woher kommt der Feedstock?"
Stephan Garvs betrachtete die Herausforderung von der Warte des Kreislaufwirtschaftsgesetz-Praktikers aus. "Es wurde ja schon viel getan. Es besteht ein großes Interesse, zukunftsfähig zu werden", so der Recycling-Fachmann. Er sieht allerdings zwei Probleme: Die Regulierungsvielfalt und die Sicherung anstehender Investitionen. "Wie wenden wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Praxis an? Es ist schwierig zu sagen: Ich investiere jetzt. Das ist auch eine Frage des Timings; der Green Deal wurde im Jahr 2018 angekündigt, aber zentrale Dinge kommen erst jetzt. Wir wollen Anlagen bauen - aber woher kommt der Feedstock? Und wer kauft das Rezyklat dann? Da müssen sich viele Leute an einen Tisch setzen!" Aktuell würden Recyclingkapazitäten abgebaut, dabei müssten diese verfünffacht werden, wenn die Recycling-Ziele bis 2030 erreicht werden sollten.

"Das muss zügiger werden, wenn wir liefern sollen!"
Der Vertreter der Kunststoffverarbeiter, Dr. Oliver Möllenstädt, stimmte Garvs zu, betrachtete die Problematik aber aus einer höheren Perspektive. Zunächst beschrieb er die Situation des Kunststoffrecyclings in Deutschland in Zahlen: "2023 fielen in Deutschland rund 5,6 Mio. Tonnen Post-Consumer-Kunststoff-Abfälle an, davon wurden 3,6 Mio. Tonnen thermisch verwertet, aber nur etwa zwei Millionen Tonnen werkstofflich recycelt. Wir stehen also vor einer großen Herausforderung, es landen noch viel zu viele Kunststoffe im Restmüll. Die Ausbeute ist also viel geringer, als sie sein müsste." Dr. Möllenstädt sieht hier ähnliche Herausforderungen wie Stephan Garvs von PreZero: "Wir leiden unter unklaren Regeln und Gesetzen. Was ist zum Beispiel mit Fahrzeugen, die ins Ausland verkauft wurden? An die kommen wir nicht mehr heran. Und wir müssen früher wissen, was politisch passiert. Daran hängen Investitionen!" Das müsse zügiger werden, damit man 2030 liefern könne.

"Denn es dauert Jahre, einen Kreislauf aufzubauen. Die Investitionen müssen also jetzt getätigt werden. Sonst sind die nicht rechtzeitig am Start. Aber sie lohnen sich nicht, wenn die Werkstoffströme nicht da sind. Am Ende könnte es also sein, dass wir unsere Ziele gar nicht erfüllen können, weil wir das Material nicht haben."

Einzelfallgerechtigkeit macht die Aufgabe komplex
Staatssekretär Dr. Andre Baumann als Adressat dieser Klagen zeigte sich offen für die Diskussionen und konnte die Probleme insgesamt nachvollziehen. "Wir brauchen bessere Regeln. Regeln sollten stimulieren, nicht strangulieren!" Grundsätzlich, so Baumann, versuche man, Gesetze immer einfach zu gestalten. Aber dann kämen Lobbyisten - und dann könnten in "Nächten der langen Messer" auch schon mal Regelungen in die Gesetze geraten, die sie vielleicht komplizierter machten als nötig. "In Deutschland wollen wir Einzelfallgerechtigkeit. Das macht die Aufgaben nicht einfacher." Zudem kämen viele aktuelle Regelungen noch aus der linearen Wirtschaft. "Im Rahmen einer Circular Economy muss die Zulassung von Produkten aus recycelten Werkstoffen einfacher werden!" Baumann erkennt allerdings an, dass viele Unternehmen mit dem Rücken zur Wand stünden. "Darum müssen wir jetzt pragmatisch handeln. Es muss Ruckzuck gehen!"

Erfolge in der Praxis
"Ich freue mich sehr, dass es unserem Institut gelungen ist, diesen Diskutanten auf unserem Kolloquium den Raum für diesen spannenden Austausch zu geben", erklärt Professor Christian Bonten, der Leiter des Kolloquium-Veranstalters IKT. "Denn Auswege aus der aktuellen Wirtschaftskrise und der des Kunststoffrecyclings insgesamt können nur gefunden werden, wenn sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und gemeinsam nach Lösungen suchen."

Dass diese in der Praxis durchaus gefunden werden können, belegten Fachvorträge von Vertretern der Volkswagen AG, der Pöppelmann Kunststofftechnik, Lohne, und Bosch, Leinfelden-Echterdingen und Renningen, unter dem Titel "Kreislaufwirtschaft - Erfolge in der Praxis". Beispiel Bosch: Hier gelang es, Bauteile aus dem technischen Kunststoff PPS durch solche aus recyceltem Polypropylen zu ersetzen - ohne größere Wanddicken und somit ohne Gewichtssteigerung. Pöppelmann entwickelte nachhaltige Serienbauteile aus Post-Consumer-Material; Volkswagen setzt Rezyklate sogar erfolgreich im KFZ-Interieur ein.

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