Wenn Verbraucher darüber nachdenken, wie aus ihrem Abfall neue Produkte entstehen, erhöhen sich die Recyclingquoten. Das Ergebnis einer aktuellen US-amerikanischen Studie, durchgeführt von Wissenschaftlern der US-amerikanischen Penn State University und des gleichfalls in den USA beheimateten Boston College und veröffentlicht im Journal of Marketing, könnte sich nicht zuletzt positiv auf die Gestaltung erfolgreich verlaufender Recycling-Kampagnen auswirken.
Weltweit verbreitet sich der Nachhaltigkeitsgedanke, werden entsprechende Programm zum festen Bestandteil in allen Bereichen des öffentlichen und auch privaten Lebens. Dessen ungeachtet beklagen Wissenschaftler, dass die Recyclinggewohnheiten der Verbraucher nicht schrittgehalten haben. In den USA würden demnach nur 25,8 Prozent der Abfälle recycelt, weltweit seien es 2015 sogar nur 13 Prozent der festen Siedlungsabfälle gewesen sein, die in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt worden seien, schreiben Karen P. Winterich, Gergana Y. Nenklov und Gabriel E. Gonzales in ihrer Arbeit.
Um herauszufinden, wie sich die Recyclingraten, sprich die Umwandlung von recycelbarem Abfall in neue Produkte, steigern lassen, führten die Wissenschaftler mehrere Studien durch. In der ersten Studie wurden die Teilnehmer gebeten, Arbeitspapier zu entsorgen. Teilnehmer, denen mitgeteilt wurde, dass das ihr Altpapier dafür eingesetzt würde, um neues Papier oder auch ein anderes Produkt, eine Gitarre etwa, herzustellen, gaben mit 80 Prozent deutlich Papier in den Werkstoffkreislauf zurück als jene Teilnehmer, denen keine spezifische Recyclingbotschaft erhielten, also was die Produktumwandlung betrifft (50.9 %).
Die zweite Studie ergab, dass Teilnehmer, die Werbung für Produkte aus identifizierten recycelten Kunststoffartikeln betrachteten, mit höherer Wahrscheinlichkeit recycelt würden (87,7%) als diejenigen, die Werbung für Produkte betrachteten, bei denen nur das Unternehmen an Recyclingpraktiken beteiligt ist (71,7%).
In der dritten Studie wurde untersucht, ob und inwieweit das Hervorbeheben einzelner Stücke aus einem Gesamtproduktsortiment verbunden mit dem Hinweis auf ein grundlegenden Recyclingprozess, sprich ohne spezifisch ein Produkt zu zeigen oder zu nennen, dass dem Recyclingprozess entstammt, die Bereitschaft der Verbraucher, den Werkstoffkreislauf zu bedienen, befördert. Das Forschungsteam stellte fest, dass sich diese Art der Transformationsbotschaft positiv auf die Bereitschaft zu recyceln auswirkt. Mit anderen Worten, Menschen dazu zu bringen, über die Möglichkeiten der Stoffumwandlung nachzudenken, kann sich als Schlüssel zu einer höheren Recyclingrate erweisen.
Im Rahmen weiterer Studien führten die Wissenschaftler u. a. eine Google-Ads-Kampagne für ein Jeansrecyclingprogramm durch. Der Erfolg dieser Studie wurde anhand der Klickrate bemessen, die bei 0,26 Prozent für eine Recyclingwerbung zur Produktumwandlung lag, im Vergleich zu 0,18 Prozet für eine Recyclingwerbung ohne Betonung der Produktumwandlung. In einer anderen Studie, die vor einem Universitätsfußballspiel durchgeführt wurde, recycelten Freunde von Heckklappen-Partys (Tailgate-Party an der offenen Kofferaumklappe, weit verbreitet in den USA; engl. tailgating, bedeutet zu dichtes Aufahren) 58,1 Prozent ihres Abfalls, nachdem ihnen mitgeteilt worden war, welche Produkte aus den von ihnen gebrauchten Wertstoffen hergestellt werden könnten. Diejenigen Tailgate-Fans, die keine spezifischen Hinweise auf das Recycling bekommen haben, gaben nur 19 Prozent ihres Abfalls in den Wertstoffkreislauf zurück.
Winterich et al. sind überzeugt, dass ihre Forschung Auswirkung auf Unternehmen und Organisationen haben kann, die ihre Recyclingquoten erhöhen wollen: Ihre Studien lieferten "überzeugende Beweise dafür, dass Verbraucher, wenn sie die Umwandlung von Wertstoffen in etwas Neues in Betracht ziehen, mehr recyceln", sagte Winterich. Organisationen, die es darauf abgesehen haben, die Sammelquoten recycelbaren Materials zu erhöhen, tuen demnach gut daran, das Bewusstsein der Verbraucher auf die Umsetzung von Abfall in neue Produkte zu lenken. "Verstärktes Recycling bietet nicht nur gesellschaftliche und ökologische Vorteile, sondern liefert auch die Ausgangsmaterialien, die Unternehmen für eine nachhaltige Produktion von Waren in einer Kreislaufwirtschaft benötigen", schreiben Winterich et al. (G. Deussing)