Der weltweite Bedarf an elektrischer Energie, Rohstoffen für die Chemie- und Kunststoffindustrie sowie Flug-Kerosin mit Solarkraft decken – geht das? Zumindest ist Michael Carus, Geschäftsführer der Nova-Institut GmbH in Hürth bei Köln, davon überzeugt. Das Unternehmen hat sich auf die Vermarktung von Nachhaltigkeit spezialisiert. Unter Leistung der Nova-Institut GmbH findet am 29. und 30. September 2015 im Haus der Technik in Essen die nach eigenen Angaben größte europäische Konferenz zum Thema Kohlendioxid als Rohstoff für Kraftstoffe, Chemie und Polymere statt, bei der Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik den neuesten Stand der Technologien diskutieren.
„Die täglich auf die Landflächen der Erde eintreffende Solarenergie ist so groß“, ist Diplom-Physiker Michael Carus, Geschäftsführer der Nova-Institut GmbH in Hürth bei Köln, überzeugt, „dass Photovoltaikanlagen auf weniger als ein Prozent der globalen Landfläche ausreichen würden, um den gesamten Energiebedarf der Menschheit selbst im Jahre 2050 zu decken.“ Zu der direkten Nutzung der Solarenergie komme seiner Meinung nach die Nutzung weiterer erneuerbarer Energien wie Wind und Wasser hinzu. Diese globale Betrachtung zeige, „dass es auch langfristig grundsätzlich kein Problem darstellt, die Menschheit nachhaltig und umweltschonend mit Energie zu versorgen“. Zudem steige die Effizienz der Photovoltaik-Anlagen stetig: „Während heute übliche Solarzellen etwa 15 Prozent der eingestrahlten Solarenergie in Elektrizität umwandeln, erwarten Wissenschaftler bis 2050 eine Steigerung des Wirkungsgrads auf 40 Prozent“, sagt Michael Carus.
Doch, ist der Umbau der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien aber ökonomisch machbar? Michael Carus: „Neue Solar- und Windfarmen an günstigen Standorten kommen schon heute auf Stromgestehungskosten von 0,06-0,07 €/kWh und sind damit oft preiswerter als fossile oder nukleare Energiesysteme.“ Doch zwei systemimmanente Nachteile verlangsamten den Ausbau der Solar- und Windenergie, wie der Geschäftsführer meint. Demnach entfalle der Hauptteil der Kosten auf den Bau der Anlagen, die späteren Betriebskosten seien hingegen sehr niedrig. Dieser Sachverhalt erkläre die hohen Investitionskosten. Obendrein müssten zur weiträumigen Verteilung des Solar- und Windstroms die Stromnetze und Speichersysteme massiv ausgebaut werden; auch diese Maßnahme erfordere weitere Investitionen.
Michael Carus, Geschäftsführer der Nova-Institut GmbH. Quelle: Nova-Institut GmbH
Was würde es kosten, die gesamte Elektrizitätsversorgung der Menschheit auf Solarenergie umzustellen? Michael Carus: „Im Jahr 2014 wurden weltweit mehr als 1.300 Mrd. US-Dollar (1.200 Mrd. €) für militärische Rüstung ausgegeben, wovon nahezu die Hälfte auf die USA entfiel. Solarzellen sind heute bereits für 100 € pro kW Spitzenleistung erhältlich – zukünftig werden Preise zwischen 60 und 70 €/kW erwartet. Mit dem jährlichen Militäretat von 1.300 Mrd. USD könnten also mehr als 10.000 Gigawatt (GWpeak) pro Jahr an Photovoltaik-Anlagen gebaut werden. Dem gegenüber steht eine weltweit installierte Kraftwerksleistung von 5.550 GW (2012) mit einem aktuellen Anteil von bereits 26 Prozent erneuerbaren Energien.“
Auch wenn diese Rechnung natürlich stark vereinfacht und erhebliche zusätzliche Investitionen in Verteilungsnetze und Speicher notwendig seien, machten Sie doch vor allem eines deutlich: „Der weltweite Militärhaushalt weniger Jahre würde genügen, um die globale Stromversorgung auf die Nutzung von Solarenergie umzustellen“, ist Michael Carus überzeugt.
Technische Entwicklungen der letzten Jahre hätten gezeigt, dass Solar-, Wind- und Wasserkraft nicht nur umweltfreundliche Elektrizität erzeugten, sondern auch zur Produktion von Rohstoffen genutzt werden könnten. Hierbei werde erneuerbare Energie verwendet, um zum Beispiel aus Wasser die Elemente Wasserstoff und Sauerstoff zu gewinnen. In Kombination mit Kohlendioxid ließe sich aus dem erzeugten Wasserstoff Methan, Methanol und einer Vielzahl weiterer chemischer Bausteine gewinnen. Dieser Prozess könne sowohl katalytisch als auch biotechnologisch vonstattengehen. Michael Carus: „Weltweit sind bereits mehr als 20 Pilotanlagen für diese revolutionäre Nutzung von CO2 in Betrieb und die ersten kommerziellen Anlagen befinden sich im Bau. Man spricht hierbei von Carbon Capture and Utilization (CCU) oder auch von Power-to-Gas und Power-to-Chemicals.“
Berechnungen zeigten, dass auf diesem Weg die Chemie- und Kunststoffindustrie nachhaltig mit organischen Rohstoffen versorgt werden konne. Selbst bei stark wachsender Nachfrage könne der Kohlenstoffbedarf der gesamten Chemie- und Kunststoffindustrie im Jahre 2050 mit CCU-Technologien leicht gedeckt werden: „Etwa zwei Prozent der Wüstenfläche würde genügen, um über Solar- und CCU-Technologien selbst im Jahr 2050 den Kohlenstoffbedarf der weltweiten Chemie- und Kunststoffindustrie zu decken“, spekuliert der Geschäftsführer.
Schon heute könnten solarbetriebene CCU-Technologien einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Eine der größten Herausforderungen stellen die immer weiter steigenden Kohlendioxidemissionen des Flugverkehrs dar. Fluggesellschaften und Flugzeughersteller investierten große Summen, um klimafreundliches Biokerosin aus Holz, Algen, Jatropha und biogenen Abfällen zu produzieren. Hohe Kosten sowie Unsicherheiten in Bezug auf Flächenbedarf, Biodiversität und potenzielle Konflikte mit Nahrungs- und Futtermitteln verhinderten bislang jedoch eine industrielle Umsetzung.
Eine Alternative biete synthetisches Kerosin auf Basis von Solar-, Wind- und Wasserstrom sowie Kohlendioxid, welches bereits heute im Kleinmaßstab hergestellt wird. Über zehn Pilotanlagen arbeiteten mit Elektrolyse und Fischer-Tropsch-Synthese, um mit Wirkungsgraden von 70 bis 80 Prozent aus Solar- und Windstrom unterschiedliche Treibstoffe herzustellen. Das solare Kerosin petrochemisches Kerosin vollständig ersetzen, zeigt sich Michael Carus überzeugt, aufgrund seiner Reinheit besäße es obendrein auch noch bessere Verbrennungseigenschaften. Die Kosten hingen primär vom Preis des erneuerbaren Stroms ab und lägen in etwa auf dem Niveau von Biokerosin.
Michael Carus: „Erste Ökobilanzen zeigen, dass die Klimabilanz des solaren Kerosins mit Abstand besser ist als alle Alternativen. Die CO2-Emissionen pro Tonne solarem Kerosin liegen deutlich unter denen von bio-basiertem Kerosin und um 80 bis 90 Prozent unter denen von petrochemischem Kerosin. Berechnungen zeigen, dass die Einhaltung des 2-Grad-Celsius-Klimaziels nur mit solarem Kerosin möglich ist. Im Vergleich zu Biokerosin sind zudem der Flächen- und der Wasserbedarf deutlich geringer. Die hier kurz beschriebenen Technologien bedeuten nichts Anderes als eine Nachhaltigkeitsrevolution der gesamten Energie- und Rohstoffversorgung.“
Am 29. und 30. September 2015 treffen sich im Haus der Technik in Essen führende Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Industrie zur größten europäischen Konferenz zum Thema „Kohlendioxid als Rohstoff für Kraftstoffe, Chemie und Polymere“, um den neuesten Stand der Technologien und Strategien zur raschen Implementierung gemeinsam zu diskutieren. Erwartet werden 200 Teilnehmer aus der ganzen Welt, darunter zahlreiche Weltkonzerne.