Ingenieuren der Universität von Kalifornien im US-amerikanischen Berkeley ist es gelungen, ein hauchdünnes Polymermaterial zu kreieren, das seine Farbe, einem Chamäleon gleich, von einer auf die andere Minute verändern kann.
Polymere, die ultradünn sind und sich von jetzt auf gleich farblich neuen Gegebenheiten anpassen, lassen die Augen nicht nur von Materialwissenschaftlern leuchten. Solcherlei Polymere bieten, so die Fanatasie, faszinierende Möglichkeiten bei der Entwicklung vollkommen neuer Displays oder Sensoren, mit denen sich etwa Schäden an Gebäuden, Brücken oder Flugzeugen erkennen lassen. „Dies ist das erste Mal, dass jemand eine flexible chamäleonartige Haut geschaffen hat, die ihre Farbe nur durch Verbiegen verändern kann“, sagt Connie J. Chang-Hasnain, ein Mitglied des Berkeley-Forscherteams. Durch präzises Ätzen winzigster Formationen – kleiner als die Wellenlänge des Lichts – auf einen Silikonfilm, der tausend Mal dünner ist als ein menschliches Haar, waren die Forscher in der Lage, den Farbbereich auszuwählen, den das Material reflektieren sollte, und zwar in Abhängigkeit davon, wie es geknickt und gebogen wird.
Abbildung: Entwickelt von Ingenieuren der Universität von Kalifornien in Berkeley ändert ein Chamäleon-artiger Silikonfilm seine Farbe in Minutenschnelle. Quelle: Optical Society (OSA)
Wie Farbe entsteht
Ein Farbeindruck entsteht infolge eines physikochemischen Vorgangs, wenn weißes Licht, das sich aus einem breiten Spektrum unterschiedlicher Wellenlängen beziehungsweise Farben zusammensetzt, auf eine Oberfläche trifft. Je nach chemischer Zusammensetzung der Oberfläche werden verschiedene Wellenlängen/Farben des Lichts absorbiert. Jene Wellenlängen, die nicht absorbiert, sondern reflektiert werden, generieren den Farbeindruck; kurze Wellenlängen geben dem Objekt einen blauen Farbton, lange Wellen eine eher roten, und dazwischen ist eine große Bandbreite unterschiedlicher Farbkombinationen möglich.
Wenn sich der Farbeindruck eines Gegenstands, zum Beispiel der eines Blattes im Herbst, verändert, geschieht dies in der Regel im Zuge einer Veränderung der chemischen Zusammensetzung der Oberfläche. Beim herbstlich anmutenden Blatt ist es der Rückgang des Anteils an grünem Blattfarbstoff (Chlorophyll).
Kürzlich haben Ingenieure und Wissenschaftler eine andere Vorgehensweise untersucht, um Designerfarben zu schaffen, ohne chemische Färbemittel oder Pigmente zu gebrauchen. Farbe lässt sich nämlich nicht alleine durch die chemische Zusammensetzung eines Materials beeinflussen, sondern ebenso auch durch die Struktur seiner Oberfläche, die mit speziellen Wellenlängen des Lichts interagiert oder sie kurzerhand reflektieren. Diese Art „strukturbedingter Farbe“ ist äußerst ungewöhnlich in der Natur, dennoch kommt sie vor zum Beispiel bei einigen Schmetterlingsarten und Käfern.
Farbgebung infolge von Lichtreflektion
Das Steuern von Licht mittels Oberflächenstrukturen anstatt mit traditioneller Optik ist nicht neu. Beugungsgitter etwa, Schlitze, eng und in gleichmäßigem Abstand gesetzt, dienen dazu, weißes Licht in seine enthaltenen Farben zu zerlegen; das Resultat ist ein Regenbogen. Allerdings erwies sich der Versuch, auf vergleichbare Weise die Farbgebung von Oberflächen zu steuern, bislang als unpraktisch.
Ungeachtet dessen wendeten Connie J. Chang-Hasnain und Kollegen bei ihrem Experiment ein vergleichbares Prinzip an, jedoch ein anderes Versuchsdesign: Statt den Silikonfilm einem Beugungsgitter gleich einzuritzen, ätzten sie ausschließlich Reihen von Furche hinein. Das Licht wurde folglich nicht in seine Wellenlängen aufgespalten, allerdings reflektieren die geätzten Furchen, auch Balken genannt, spezielle Wellenlängen, was letztlich einer Farbgebung gleichkommt. Werden die Zwischenräume zwischen den Balken modifiziert, die Wissenschaftler sprechen von tunen, ist es möglich, gezielt Wellenlänge zu reflektieren. Dies gelingt mit einem Film aus Silikon offenkundig auf sehr effiziente Weise.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass sich die Farbgebung durch den gewählten Abstand von Furche zu Furche beziehungsweise von Balken zu Balken beeinflussen lässt. Der Abstand, so scheint es, erweise sich regelrecht als Schlüssel. Wenn dem so sei, spekulierten die Wissenschaftler, müsste doch möglich sein, durch Biegen oder Krümmen des Silikonfilms die Reflektion zu beeinflussen und damit einen Farbwechsel herbeizuführen:
„Wenn eine Oberfläche sehr präzise Strukturen aufweist, mit Abständen, die eine Interaktion mit spezifischen Wellenlänge des Lichts ermöglicht, können Sie auch ihre Eigenschaften ändern und mit dem Licht durch Änderung der Dimensionen interagieren“, sagt Chang-Hasnain.
Frühere Anstrengungen, eine flexible, das Licht verschiebende Oberfläche zu entwickeln, schlugen aus verschiedenen Gründen fehl. Metallische Oberflächen, die leicht zu ätzen sind, waren ineffizient und reflektierten nur einen Teil des auffallenden Lichts. Andere Oberflächen waren zu dick, was ihre Anwendungsmöglichkeiten begrenzte, oder sie waren zu steif, was ein hinreichend kontrolliertes Biegen nicht zuließ.
Den Berkeley-Forschern gelang es, diese Hürden zu überwinden, indem sie die geätzten Balken durch Verwendung einer etwa 120 Nanometer dicken Halbleiterschicht aus Silikon herstellten. Die Flexibilität wurde erreicht, indem die Silikonbalken in eine flexible Schicht aus Silikon eingebettet wurden. Wenn das Silikon gekrümmt oder gebogen wurde, veränderten sich die Abstände der Balken, wurden andere Wellenlängen reflektiert.
Das Halbleitermaterial erlaubte es auch, eine Haut zu schaffen, die unglaublich dünn war, perfekt flach und mit den gewünschten Oberflächeneigenschaften. Damit wurde Material hergestellt, das auf hocheffiziente Weise, mit einer Ausbeute von bis zu 83 Prozent Licht reflektiert und sehr reine Farben darstellt. Summa summarum sei eine weitere Steigerung der Leistung in verschiedener Hinsicht denkbar und möglich.
Chamäleonhaut mit Mehrfachanwendungen
Für ihre Demonstration schufen die Forscher eine einen Quadratzentimeter große Schicht von farbverschiebendem Silikon. Zukünftige Entwicklungen sind erforderlich, um ein Material zu schaffen, das groß genug ist, um kommerziellen Ansprüchen gerecht zu werden, die sich unter anderem im Bereich Unterhaltungs-, Sicherheits- und Überwachungstechnik finden lassen. Displays ließen sich revolutionieren, ebenso farbliche Präsentationsmedien. Denkbar seien auch Tarnkappen für Fahrzeuge, die eine Anpassung an die jeweilige Umgebung ermögliche. Weitere praktische Anwendungen könnten Sensoren sein, die durch Veränderung der Farbe auf Materialermüdungen an kritischen Bauteilen von Brücken, Gebäuden oder Flugzeugen hinweisen.
„Dies ist das erste Mal, dass jemand einen solch breiten Farbbereich auf einer aus einer Lage bestehenden, dünnen und flexiblen Oberfläche erreicht hat“, sagte Change-Hasnain abschließend. „Das ist nicht nur „extrem cool“, wie die Wissenschaftlerin sagt, sondern auch überaus innovativ und zukunftsweisend. GDeußing
Literatur
Paper: L. Zhu, J. Kapraun, J. Ferrara, and C.J. Chang-Hasnain,
Flexible photonic metastructures for tunable coloration, Optica, 2, 3, 255-258 (2015), doi: dx.doi.org/10.1364/OPTICA.2.000255