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Oktober 2013: Gib Gummi! - Blick auf eine einzigartigen Werkstoff und seinen Industrie

Von Guido Deußing

Die Gummistraße auf der K2013. Foto: GDeußing

Gib Gummi!

Blick auf einen einzigartigen Werkstoff und seine Industrie

Die deutsche Kautschukindustrie, technologisch weltweit führend, verweist zwar auf eine negative Halbjahresbilanz, zeigt sich aber auf der Kunststoffmesse K2013 innovativ und vorsichtig optimistisch, die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Zu Recht, wie der Blick auf die Details zeigt.

Die Jahre 2008 und 2011 werden bei der Präsentation aktueller Bilanzzahlen gerne als Bezugspunkt herangezogen, so auch von der Kautschukbranche. Während die Weltwirtschaft 2008 darniederlag, zeigte sie sich drei Jahre später wieder bei bester Gesundheit. Mit ihr die Kautschukindustrie, die 2011 ein „Allzeithoch“ erklommen habe, „dann aber ging es leicht bergab“, schildert Boris Engelhardt, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands der deutschen Kautschukindustrie (WDK), der die Interessen von rund 130 deutschen Kautschuk-Unternehmen vertritt.

Der Rückgang des Gesamtumsatzes der Kautschukbranche um 2,5 Prozent auf 11,75 Milliarden Euro in 2012 und in diesem Jahr um 4,9 Prozent gegenüber 2012, komme zwar einem „Null-Wachstum“ gleich und sollte kritisch beäugt werden, meint Boris Engelhardt, es wäre jedoch übertrieben, vom Schlimmsten auszugehen: „Von einem Abflachen der Konjunktur wie in 2008 kann nicht die Rede sein, eher von einer Konsolidierung“, ist der Hauptgeschäftsführer des WDK überzeugt. (Lesen Sie weiter auf Seite 2)

 
 

Themen des Monats rund um Gummi und Kautschuk

Seit Beginn unserer Serie der "Themen des Monats" spielt Kautschuk eine wichtige Rolle. Einige der Beiträge legten Ihren Fokus sogar rein auf den Einsatz, seine Herstellung und Verwendung von Gummi Hier finden Sie einige repräsentative Beispiele:

Kleine Enzyklopädie des Reifens
Im Gummifaltboot aufs Meer hinaus
Trocken und "très chic" mit Gummis am Fuß
 
 

Die Reifenindustrie ist der wichtigste Partner der Kautschuk-Industrie.

Dem Abdriften in eine neue Rezession zuwider spricht auch der Umstand, dass sich die Mitarbeiterzahl in der Kautschukbranche entgegen dem gesamtwirtschaftlichen Trend in den letzten beiden Jahren positiv entwickelt hat: „Die Kautschuk verarbeitenden Unternehmen beschäftigten Ende 2012 in Deutschland 74.700 Mitarbeiter – 1,5 Prozent mehr als noch in 2011; Mitte 2013 lag die Zahl der Beschäftigten bei 74.950“, berichtete Ulrich Reifenhäuser, Vorsitzender des Ausstellerbeirats der Kunststoff- und Kautschukmesse K2013 anlässlich ihrer Eröffnung am vergangenen Mittwoch. Von der K2013 erhofft sich die Kunststoff- wie auch die Kautschukbranche, die mit rund 400 Unternehmen aus aller Welt auf der „Gummistraße“ der Messe Düsseldorf vertreten ist, wichtige Impulse und volle Auftragsbücher.

Mit einem Gesamtumsatz von zwölf Milliarden Euro, den die insgesamt 130 deutschen Kautschuk-Unternehmen im vergangenen Jahr erwirtschaftet hätten, erweise sich die Branche zwar als klein gegenüber der großen Schwester, der hiesigen Kunststoffindustrie, deren 3.270 Unternehmen mit 363.000 Beschäftigten im gleichen Zeitraum einen Gesamtumsatz von 88 Mrd. Euro erzielten. Ungeachtet dessen stünde die Kautschukbranche alles andere als im Schatten der Kunststoffindustrie, betont Boris Engelhardt.

Gummiartikel, sprich: Elastomere, Produkte aus vulkanisiertem Kautschuk, erweisen sich nämlich als Schlüsselwerkstoff. Sie seien immer dann gefragt, wenn es um den Werkstoffeinsatz in extremer, buchstäblich ätzender Umgebung geht, wenn chemische oder physikalische Beständigkeit gefragt und hohe dynamische Belastungen auszuhalten seien, wie sie etwa in Fahr- oder Flugzeugen und anderen Fortbewegungsmitteln auftreten. „Hier gibt es bislang keine Alternative zu Kautschuk und Gummi“, sagt Boris Engelhardt. (Lesen Sie weiter auf Seite 3)

 
 

Apropos K wie Kautschuk...

Kautschuk, Elastomere, Gummi - was wäre wir ohne diesen einzigartigen Werkstoff? In unserer Serie "Apropos K" haben wir immer wieder auch einmal einen flüchtigen oder auch intensiven Blick darauf geworfen (und werden es auch künftig immer wieder aufs Neue tun), wie dieser Werkstoff des Menschen Leben bereichert und erleichtert. Hier nur einige wenige Beispiele:

Ohne Kautschuk keine Mobilität
Intelligent und kraftvoll: Elastomere als Schwingungsdämpfer
Ein Gummihuhn fliegt hoch hinaus
 
 
Automotor

Ein Motor kann noch so leistungsfähig sein: Geht auch nur eine winzig kleine Gummidichtung kaputt, kann der ganze Motor hin sein.

26 Millionen Tonnen Kautschuk wurden im vergangenen Jahr weltweit hergestellt und verbraucht. Deutschland zählt zu den führenden Herstellerländern weltweit. Wichtigster Abnehmer: die Reifenindustrie. Ein Auto enthalte zudem, gemessen am Gewicht, die gleich Menge Kautschuk etwa in Form von Schläuchen, Dichtungen oder Antivibrationstechnik, wie die Fahrzeugbereifung auf die Waage brächte, erklärt der Hauptgeschäftsführer des WDK.

Der Kautschukanteil im Fahrzeug sei zwar gering bezogen auf das Gesamtgewicht, die Kautschukbauteile: mitunter Produkte im Mikromaßstab. Hier mache jedoch die Mücke den Elefanten: „Geht eine Gummidichtung kaputt, ist im Zweifel gleich der ganze Motor hin“, bringt es Boris Engelhardt auf den Punkt.

Kautschukprodukte haben sich bewährt als Motordichtung und Treibstoffleitung, aber auch in der Anwendung als hitzebeständiges, schlecht wärmeleitfähiges Material für Herstellung von Rettungsmasken der Feuerwehr. Vielfach handelt es sich, gemessen an der eingesetzten Rohstoffmenge, um Nischenmärkte, auf denen Kautschuke zum Einsatz kommen. Für diese ist der Werkstoff allerdings bislang unverzichtbar. Während für technische Anwendungen vornehmlich synthetische Kautschuke Verwendung finden, die sich im Labor regelrecht komponieren und in gleichbleibender Qualität massenweise produzieren lassen, kommen im Bereich von Medizin, Gesundheit und Konsumgütern in der Regel natürliche Kautschuke (Natural Rubber, NR) zum Einsatz, die im unmittelbarem Hautkontakt verträglicher sind. Die „Natural Rubber“ (NR) dienen zur Herstellung von Kondomen, von Schnullern wie auch Handschuhen, Kathedern oder Behältnissen, in denen Blutkonserven aufbewahrt werden. Von dem in 2012 produzieren Kautschuken entstammen 11 Millionen Tonnen natürlichen Quellen, 15 Millionen Tonnen wurde auf petrochemischer Basis synthetisiert. (Lesen Sie weiter auf Seite 4)

 
 

Billy Boy und Co. lassen grüßen

Wer über Kautschuk, Elastomere und Gummi spricht, kommt am Thema Verhütung mit Präservativen nicht vorüber. Auch Apropos K hat sich diesen Thema gestellt:

 
 

Nachhaltigkeit und Recycling vom Gummi werden in der Reifenwelt schon lange gelebt und praktiziert.

Die zahlreichen unterschiedlichen, anwendungsspezifischen Anforderungen forcieren Forschungs- und Entwicklungsprozesse in der Kautschukbranche, berichtet Boris Engelhardt. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kautschukinstitut in Hannover führe die Kautschukindustrie mehrere Projekte durch, etwa zur Optimierung von Mischprozessen bei der Herstellung von Kautschuk, zur mathematischen Beschreibung von Fehlerhäufigkeiten in Kautschukprodukten oder zur Entwicklung neuer Koaktivatoren, sprich: spezieller Additive, die den Herstellungsprozess positiv beeinflussen. Begriffen wie Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeit und Recycling muss sich auch die Kautschukbranche stellen. Letztgenanntes Thema sei im Bereich Reifen schon lange ein Politikum, was sich unter anderem in der hohen Rate der Runderneuerung gebrauchter Lkw-Reifen widerspiegle oder in der seit Jahren praktizierten energetisch-stofflichen Verwertung in der Zementproduktion. Darüber hinaus arbeite etwa mit der Firma Continental ein namhafter Reifenhersteller daran, Abfälle aus der Runderneuerung unmittelbar als Zutat in der Herstellung neuer Reifen einzusetzen.

 
 

Naturkautschuk wird bislang aus dem Kautschukbaum gewonnen. Ob der aber in Zukunft den erforderlichen Bedarf decken kann, ist fragwürdig.

Nicht zuletzt müsse sich die Kautschukbranche auch mit der Frage auseinandersetzen, bemerkt Boris Engelhardt, wie sie den Rohstoffbedarf des Marktes angesichts schwindender Erdölressourcen auch in Zukunft zu decken gedenkt. Offenkundig herrschen Zweifel, ob die bisherige Quelle, namentlich der Kautschukbaum, der nur in tropischen Gefilden wächst, hier den Ansprüchen genügt.

Was wäre der Mensch ohne Waschmaschine - und die Waschmaschine ohne Gummidichtung?

Auch "Mann" kennt die Bilder der Frauen, die vornübergebeugt am Fluss Wäschestücke mühselig über Waschbretter reiben. Eine kraftraubende Arbeit, die Dank der Waschmaschine der Vergangenheit angehört. Was aber wäre diese Waschmaschine - und mag sie auch noch so modern, aus mechanischer, elektronischer und informationstechnologischer Sicht ein Hightech-Gerät sein - ohne die, salopp gesagt, Türdichtung aus Gummi, wäre alles nichts. Nur der Boden, der wäre klatsch nass, was keine Freude für Hausfrauen und Hausmänner wäre. Unser Aktuelles "Apropos K"-Thema wirf ein Schlaglicht auf diese geniale Erfindung.

Waschmaschinengummis: Hundert Prozent dicht und dauerhaft elastisch
 
 

Die Guayule-Pflanze hat das Potenzial, in Zukunft zu einer wichtigen Quelle für die Gewinnung von Naturkautschuk zu avancieren.

Apropos: Hätten Sie es gewusst?

Zu den derzeit wichtigsten Erzeugerländern von Naturkautschuk zählen heute Thailand, Indonesien und Malaysia, die schon vor geraumer Zeit den einstigen Kautschukbaronen in Nord- und Südamerika den Rang abgelaufen haben. Eine ähnliche Entmachtung könnte sich absehbar wieder ereignen: Inzwischen wurde mit der Guayule eine Pflanzen identifiziert, die Latexmilch enthält und die sich für die Herstellung von Kautschuk nutzen lässt. Aber anders als der Kautschukbaum wächst die Guayule auch in ariden, das heißt niederschlagsarmen Regionen. Absehbar könnten Nordafrika, Australien, der mittlere Osten oder auch die USA den bislang wichtigsten Erzeugerländern von Kautschuk den Rang ablaufen. Welche sozialen und politischen Konsequenzen daraus resultieren, darüber lässt sich derzeit nur spekulieren.
GDeußing