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Grüne Chemie auf dem Vormarsch

Von Guido Deußing

Quelle: Istockphoto

(EPH) sind Kunstharze, die sich zu duroplastischem Kunststoff umsetzen lassen und die in vielfältiger Weise einge-setzt werden. Ein wichtiger Baustein bei der Herstellung von EP-Harzen spielt Epichlorhydrin (EPI). Seiner Toxizität wegen zählt EPI allerdings zu den unsympathischen Chemikalien. Für die Herstellung von EP ist es unverzichtbar. Um das Gefährdungsrisiko für Mensch und Umwelt zu minimieren erscheint sinnvoll, Epichlorhydrin von Straße und Öffentlichkeit fern zu halten und dezentral, unmittelbar am Standort der Weiterverarbeitung zu produzieren. Zudem ist die Frage zu klären, ob der klassische Weg über den Einsatz erdölbasiertem Propyeln noch zeitgemäß ist, wo doch heute natürliches Glycerin, das im Zuge der Biodieselherstellung anfällt, zur Verfügung steht.

Epoxidharz (EPH) ist ein zähflüssiges Polymer, das vielseitig Anwendung findet, u.a. als Bestandteil von Kleb- und Faserverbundwerkstoffen, in Farben und Beschichtungen. Unter Zugabe eines Härtungsmittels bildet EPH robuste, beständige Kunststoffe, ohne die unsere Welt nicht so wäre, wie wir sie kennen. Das Besondere am EPH, ist das Besondere darin. Zu Herstellung von EPH braucht es Epichlorhydrin (EPI). Dabei handelt es sich um eine farblose nach Chloroform riechende Flüssigkeit, deren große chemische Attraktivität im Innern der Molekülstruktur zu finden ist: Epichlorhydrin besitzt einen Epoxidring, der sich unter passenden Bedingungen und im Beisein eines geeigneten Reaktionspartners wie Bisphenol A öffnet und stabile, chlorfreie Epoxidharze bildet.

 
 

Auf dem Weg in die Zukunft: Von der Erdöl- zur Glycerinchemie

Epichlorhydrin wurde erstmals im Jahr 1854 im Labor künstlich hergestellt. Laut Gefahrstoffverordnung ist diese Chemikalie brennbar, ätzend, sehr giftig und gesundheitsgefährdend. Ungeachtet dieses unsympathi-schen Eigenschaftsprofils und in Ermangelung geeigneter Alternativen ist Epichlorhydrin weltweit gefragter denn je – nicht nur in der Kunststoffindustrie. Epichlorhydrin wird auch in der Papier- und Textilindustrie eingesetzt und es dient u.a. zur Herstellung von Arzneimittelwirkstoffen, Insektiziden und Tensiden.

Bis vor wenigen Jahren wurde Epichlorhydrin vornehmlich aus Propylen hergestellt, einem farblosen Gas, das petrochemisch aus Erdöl durch thermische Spaltung kurzkettiger Kohlenwasserstoffverbindungen dargestellt wird. Bei dieser aufwendigen Herstellungsweise wird Propylen mit Chlor zu Allylchlorid umgesetzt, das im Verlauf der Reaktion mit hypochloriger Säure zu 1,3-Dichloropropan-2-ol und 2,3-Dichloropropan-1-ol (Dichlorhydrin) reagiert. Durch Zugabe von Natriumhydroxid (NaOH) erfolgt die Weiterreaktion zu Epichlorhydrin; zurückbleibt eine Mischung aus Wasser, Salz und organischen Rückstände, die zu entsorgen ist.

 
 
Die Biodieselproduktion leisten einen wesentlichen Beitrag

Die Biodieselproduktion leistet einen wesentlichen Beitrag bei der Gewinnung nachhaltiger Chemikalien und Lösemittel.

Mit dem Boom der Biodieselproduktion sank die Nachfrage nach synthetischem Glycerin; die Industrie hatte eine andere, bessere, weil nachhaltigere Quelle zur Stillung ihres Rohstoffbedarfs entdeckt – den Sprit vom Acker. Bei der Herstellung von Biodiesel fallen große Mengen Rohglycerin als Koppelprodukt an. Glycerin wird in der Pharma- und Kosmetikindustrie eingesetzt, etwa als Ingredienz von Seifen und Zahnpasta. Es dient in Getränken und Backwaren als Süßstoff, als Feuchthaltemittel in Tabak und als wichtiges Additiv bei der Herstellung von Alkydharzen und Polyetherpolyolen. Das Einsatzspektrum allerdings ist weiter.

Unter anderem ließe sich aus biogenem Glycerin u.a. Isopropylidenglycerin, Glycerinformal und Glycerincarbonat herstellen. „Alle drei Glycerin-Derivate sind gemäß Literatur hervorragende, hochsiedende Lösemittel, die mit allen gängigen Lösemitteln mischbar sind, etwa mit Wasser, Alkohole, Ketone, Acetale, Ester, Ether, Aromaten, Benzin-Kohlenwasserstoffe, CKW, Terpentinöl, ätherische und andere Öle“, beschreibt es der Chemiker Dr. Michael Charwath. Wie die verfahrenstechnische Praxis beweise, lasse sich aus biogenem Glycerin ebenso Epichlorhydrin auf eine überaus effiziente und nachhaltige Weise herstellen.

 
 

Die Alternative zu konventionellen und vergleichbaren Verfahren

Bevor sich die Biodieselindustrie zu einer aus heutiger Sicht wichtigen Rohstoffquelle für die Herstellung von Epichlorhydrin mauserte, wurde Glycerin vornehmlich aus synthetischem, oder andere gesagt, petrochemischen Epichlorhydrin hergestellt. Der Einsatz biogenen Glycerins, abstammend aus einer nachhaltigen Landwirtschaft, erweise sich langfristig gesehen ökologisch und ökonomisch sinnvoller und nutzbringender, trage es doch, neben der Pflege der Umwelt, zu einer höheren Effizienz und Wertschöpfung des Anwenders bei, sind Experten überzeugt.

Der Einsatz von Glycerin zur Herstellung von Epichlorhydrin ist nicht neu, wie das deutsche Patent 197308 der Firma Böhringer aus dem Jahr 1906 belegt. Die Leuna Werke präsentierten 1960 ihr „Verfahren zur kontinuierlichen Herstellung von Epichlorhydrin aus Glyzerin“ (DE Patent 1,075103), das sich Firmen wie Solvay, Dow und Spolchemie offenkundig zum Vorbild nahmen, um eigene Patente anzumelden, die sich allerdings, bei genauer Betrachtung, nur geringfügig von dem der Leuna Werke unterscheiden. Nach einer Analyse des Ist-Zustandes und der Feststellung, dass die oben genannten Verfahren allesamt in puncto Energieeffizienz und Kosten-Nutzen-Verhältnis Optimierungspotenzial besitzen, machte sich auch die Firma KVT aus Österreich daran, ein eigenes Verfahren zu entwickeln.

 
 
Quelle: istockphoto

Die Gewinnung von Windenergie ist ein wichtiges Einsatzgebiet von Epoxydharzen.

Im Vordergrund der Experten stand einerseits die Prämisse, nachwachsende Rohstoffe zu nutzen. Andererseits sollte es ein Verfahren sein, das gleichsam hohe ökonomische und ökologische Ziele verfolgt und erreicht. Als Ergebnis ihrer Überlegungen präsentierten sie ihr so genanntes Epiprovit-Verfahren.

Werfen wir zunächst einmal einen Blick auf die allgemein-technischen Details der Epichlorhydrin-Gewinnung aus biogenem Glycerin (sorry, aber ohne ein bisschen Technik geht’s nicht): Unter Einsatz von Salzsäure (HCL) beziehungsweise HCL-Gas wird das biogene Glycerin über die Stufe des Monochlorhydrins (MCH) zu Dichlorhydrin (DCH) umgesetzt, dessen Verseifung mit Natriumhydroxid (NaOH) zu Epichlorhydrin (EPI) führt. Um den Hintergrund um den Vorgang der Verseifung etwas näher auszuleuchten: Fette lassen sich in ihre Bestandteile zurückführen, also in Glycerin und Fettsäuren. Dazu wird das Fett mit einer Lauge, Natronlauge (NaOH) zum Beispiel, erhitzt. Hierbei lösen sich die Fettsäuren vom Glycerin, werden jedoch sofort durch die Lauge neutralisiert. Es entstehen wasserlösliche Salze - die Seifen. Die Reaktion in eine chemische Formel lautet hernach wie folgt: Fettsäuren + Laugen = Seifen + Glycerin. Apropos: Wird Natronlauge verwendet, entsteht Kernseife, verwendet man Kalilauge (KOH) Schmierseife. Getrennt wird das Epichlorhydrin von Wasser, Salz und Verunreinigung schließlich unter Einsatz von Wärmeenergie im Zuge einen Gegenstromdestillation.

 
 

Blick auf die verfahrenstechnischen Details

Das Epiprovit-Verfahren beginnt bei der Gewinnung des HCL-Gases, das für die Chlorierung des biogenen Glycerins benötigt wird. Dieser Schritt lässt sich ohne großen technischen Aufwand durch Installation einer entsprechenden Gasversorgung einschließlich Bevorratung realisieren. Das sei der einfachste Weg. Ihn zu gehen, sind die Experten überzeugt, bedeuten allerdings langfristig erhebliche Mehrkosten. Gleichsam bliebe das enorme wirtschaftliche Potenzial, über das der Betreiber der Anlage verfüge, in Teilen ungenutzt. Sinnvoller sein eine Chlor-Alkali-Elektrolyse, die sich kosteneffizient prozessnah betreiben ließe.

 
 
Quelle: fotolia

Schritt 1: Die HCL-Gas-Versorgung

Zum Anfahren der Anlage wird in bekannter Manier HCL-Gas im sogenannten Brennrohrverfahren infolge einer exothermen Reaktion (Energie wird freigesetzt) von Chlorgas (Cl2) und Wasserstoff (H2) gebildet. Bevor es in den Prozess gespeist werden kann, muss der überschüssig eingesetzte H2 abgetrennt werden. Es lässt sich allerdings auch in Gänze in den Prozess speisen, wenn der überschüssige Wasserstoff im Nachgang thermisch behandelt und gemäß den Richtlinien der TA-Luft an die Umlu8ft abgegeben wird.

 
 

Schritt 2: Die Chlorierung

Unter Einwirkung von HCL-Gas wird das Glycerin chloriert und in wässriger Lösung zunächst über die Zwischenstufe Monochlorhydrin zu Dichlorhydrin umgesetzt; für die Darstellung von Epichlorhydrin braucht es ausschließlich Dichlorhydrin (DHC). Durch (Azeotrop-)Destillation zerlegt man das Gemisch aus MCH, DCH und salzsaurem Wasser in zwei Phasen: Das in wässriger Lösung vorliegende DCH wird unmittelbar nach Abtrennung der wässrigen Phase verseift. Ein resultierendes Gemisch bestehend aus MCH und DCH wiederum, das sich nicht vermeiden lässt, wird im Gegenstrom destilliert und aufgetrennt: DCH gelangt zur Verseifung und MCH wird erneut chloriert.

 
 

Schritt 3: Die Verseifung

Die Verseifung des DCH, also seine Umsetzung zu Epichlorhydrin, erfolgt unter Zugabe von Natriumhydrid (NaOH) beziehungsweise Natronlauge. Das resultierende Gemisch bestehend aus EPI und DCH sowie Wasser und Salz (NaCl) wird destilliert um in Gegenstrom getrennt. Während das in wässriger Lösung vorliegende Epichlorhydrin zur nächsten Rektifikationsstufe geführt und vom Wasser getrennt wird, durchläuft das mit Rückständen behaftete Salz-Wasser-Gemisch abermals einen Verseifungsschritt. Das wässrige Epichlorhydrin wird im Gegenstrom destilliert, von Wasser und organischem Rückstand befreit; die resultierende Sole wiederum wird aufgereinigt, so dass das Salz zum Beispiel erneut im Prozess (Chlor-Alkali-Elektrolyse) eingesetzt werden kann.

 
 

Schritt 4: Der Kreislauf schließt sich

Aus der letzten Rektifikation, die dazu dient, das Endprodukt von Wasser und Rückständen zu befreien, resultiert hochreines Epichlorhydrin. Ungeachtet anderer Behauptungen zeigt sich im Verlauf dieses Prozesses, von welcher Qualität das eingesetzte Glycerin war und, dass es durchaus von Bedeutung ist, einen erstklassigen Rohstoff einzusetzen; entsprechend gering fällt die Belastung mit Rückständen aus, die fachgerecht zu entsorgen sind.

 
 
Quelle: istockphoto

Epoxydharze bilden oftmals die Materialmatrix von Verbundwerkstoffen wie sie auch in der Luft- und Raumfahrt zum Einsatz kommen.

Die Herstellung von Epichlorhydrin auf konventionelle verfahrenstechnische Weise aus Propylen ist aus Sicht der Verfechter des Einsatzes nachwachsender Rohstoffe beziehungsweise biogenem Glycerin ineffizient und alles andere als zeitgemäß. Ungeachtet dessen kann doch nicht davon ausgegangen werden, dass alle diesbezüglich am Markt verfügbaren Glycerin-basierten Verfahren die Möglichkeiten widerspiegeln, die die Verfahrenstechnik heute bieten. Der Umweltaspekt, der Einsatz regenerativer Rohstoffe, ist die eine Sache, eine andere, Energie und Betriebskosten einzusparen, gleichzeitig die Ausbeute zu erhöhen und den Gewinn zu maximieren. Die Fragen hinsichtlich Rückstandsverwertung sind mit Blick auf Effizienz und Umweltverträglich zu beantworten.

Das Verfahren zur Herstellung von Epichlorhydrin aus biogenem Glycerin überzeuge in jeder Hinsicht in puncto Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit, sind die Erfinder überzeugt. Das resultierende Endprodukt sei von erstklassiger Güte, ebenso das Nebenprodukt Natriumchlorid, das hochrein zurückgewonnen und wieder betriebskostensparend im Herstellungsprozess eingesetzt werden könne.

 
 

Ausblick

Das Warten hat ein Ende: Das Thema des Monats im August 2013 wirft einen ersten verschärften Blick auf die K2013 im kommenden Oktober. Seien Sie gespannt…