US-amerikanische Wissenschaftler haben ein Tool entwickelt, mit dem sich alterungsbedingte Schäden an Faser-Kunststoff-Verbünden (FKV) frühzeitig feststellen lassen. Faserverstärke Polymerwerkstoffe werden gehäuft für Leichtbaukonstruktionen in der Automobilindustrie und in der Luft- und Raumfahrtechnik eingesetzt, ebenso zu Herstellung von Windkraftanlagen.
Wer Materialschwächen frühzeitig erkennt, kann der Entstehung größere Schäden entgegenwirken. Ein Team des US-amerikanischen Nationalen Instituts für Standards und Technologie (NIST) hat gemäß dieser Annahme ein Tool zur Überwachung von Veränderungen in Faser-Kunststoff-Verbünden (FKV) entwickelt. Damit sei es möglich, sagt NIST-Chemiker Jeff Gilman, bessere, ermüdungsbeständigere Verbundwerkstoffe herzustellen. Weil man damit sehen könne, wann eine Faser zu brechen beginne, ließe sich der resultierende Schaden genau ermessen.
Seit den 1960er Jahren experimentieren Wissenschaftler mit den Eigenschaften von Faserverbundwerkstoffen mit dem Ziel, ihr Gewicht zu reduzieren, gleichzeitig aber das Material belastbarer und stärker zu machen. Eine wichtige Stellschraube ist die Verbindung zwischen der Faser und dem Harz. Zu erkennen, wann die Belastungsgrenze von FKVs erreicht oder überschritten ist, ist bislang eine meinst Frage empirischer Erfahrungen. Damit können man sich allerdings langfristig jedoch nicht zufriedengeben, sind die NIST-Forscher überzeugt. Ihnen schwebt vielmehr eine Art Indikator vor Augen, der Alterungs- und Verschleißprozesse unmittelbar sichtbar mache.
Woodcock et al. [1] fügten daher FKVs, genauer gesagt dem verwendeten Verbundharz Verbindungen mit mechanophoren Eigenschaften zu; hierbei handelt es sich um Moleküle, die auf mechanische Belastung mit einer Änderung der Farbe reagieren.
Das von den NIST-Forschern verwendete Mechanophor Rhodamin fluoresziert, es leuchtet also auf, wenn winzige nanometergroße Öffnungen oder Risse zwischen Faser und Harz entstehen. Die Farbveränderung sei zwar mit bloßem Auge nicht zu erkennen, wohl aber ließen sich mithilfe spezieller mikroskopischer beziehungsweise bildgebender Verfahren sichtbar machen und damit Schäden in Faser-Verbund-Systemen identifizieren. Die Zugabe des Additivs Rhodamin erfolge in einer Menge von 0,1 Massenprozent, was zu keinen nennenswerten Änderungen der physikalischen Eigenschaften des Materials führe, berichten die Wissenschaftler. Dafür aber ließen sich durch die Additivierung des Mechanophors unter Anwendungsbedingungen die Folgen einer Materialermüdung auf vergleichsweise kostengünstig Weise kontinuierlich und regelmäßig durchführen. Windkraftanlagen ließen sich somit auch Jahre nach ihrer Errichtung völlig problemlos auf innere Risse scannen.
Erste Arbeiten mit dem neuen Überwachungstool haben zudem überraschende Informationen über FKV-Schäden zutage gebracht: „Wenn eine Faser bricht, sendet sie eine Art ‚Stoßwelle‘ aus, die sich durch das Material bewegt", erklärte Jeremiah Woodcock, der Hauptautor der Studie. Früher habe man angenommen, dass der größte Teil des Schadens an der Bruchstelle auftrete. „Wir dachten“, berichtet Woodck weiter, „einen fluoreszierenden Lichtschein um den Riss herum zu finden." Stattdessen hätten die Forscher herausgefunden, dass Schäden vielmehr an Stellen auftreten, die sehr weit entfernt vom eigentlichen Faserbruch liegen. „Es ist, als ob wir über das Erdbeben Bescheid wussten, nichts aber über den von ihm ausgelösten Tsunami“, umschreibt Woodcock die bisherige Annahme.
Weiterhin hätte ihre Forschung gezeigt, dass bislang übliche Untersuchungsverfahren die Festigkeit des Materials unbeabsichtigt beeinträchtigten. Eine Erkenntnis, die sich absehbar auf die Herstellung von FKV auswirken werden. Die NIST-Forscher gehen davon aus, die Verwendung von mechanophoren Verbindungen als Additiv mit Indikatorfunktion würden einerseits den Aufwand an Energie und Kosten senken, der bei der Herstellung von FKVs anfalle, gleichzeitig würde die hier beschriebene Additivierung den Einsatz faserverstärkter Polymerwerkstoffe für die Industrie attraktiver machen. Guido Deussing