Kaum ein Objekt kann Männer (aber auch Frauen) derart in Hochstimmung bringen wie ein tolles Auto – ganz gleich, wie alt es ist. Für machen Liebhaber und manche Liebhaberin gilt gar: Je älter, desto besser. Mag sein, dass dieser Satz ein Vorurteil bedient. Allerdings ist die Schar derer, die einen Narren an alten Autos gefressen haben, riesig, wie auch der Oldtimer Grand Prix am Nürburgring alle Jahre widerspiegelt, den der Automobilclub von Deutschland (AVD) vom 7.-9. August 2015 inzwischen schon zum 43. Mal ausrichtet. Doch nicht nur die Metallkarossen sind sexy, die sich über die Bahn bewegen. Nicht wenige unter den Besuchern stehen wahrscheinlich auch auf Gummi...
Die Experten sind sich nicht annähernd einig: Das Rad wurde vor etwa 5000 Jahren erfunden. Während man sich bei der Datierung vergleichsweise sicher ist, hapert er daran, eine genau geografische Angabe zu machen, wer es erfunden hat. Offenkundig scheint, es gibt nicht einen Erfinder, sondern viele. Es steht zu vermuten, das Rad wurde zeitgleich an vielen Stellen auf unserem Planeten entwickelt. Schon vor der Benutzung des Rads verwendeten die Menschen schließlich Rollbalken und Schlitten, um Holz, Steine und andere Materialien von A nach B zu bewegen. Es war, bei genauer Betrachtung, nur eine Frage der Zeit, bis jemand das Prinzip des Rad-Achsen-Aufbaus entdeckte und das Rund in Schwung bracht: Vor 3500 Jahren in Mesopotamien, dem heutigen Irak, im Alpenvorland und vermutlich auch noch anderenorts – auch wenn dafür der Beweis fehlt.
Was den alten Rädern allerdings fehlte, sie waren oftmals extrem schwer und schwierig zu lenken. An der Leichtigkeit wurde gearbeitet: Man ritzt massive Baumscheiben ein, entfernte folglich Material, spielte mit der Stabilität des hölzernen Runds und erfand so auf kurz oder lang das Speichenrad: Leichter im Gewicht und, der Physik sei Dank, überaus Robust auch in der Mitnahme von Schlaglöchern, denen man nicht per se ausweichen konnte, wenn der Wagenlenker ihrer ansichtig wurde – weil die Lenkung immer noch schwerfällig, der Rollwiderstand einfach zu groß war. Metallringe, mit denen man das Rad fasste brachten etwas Besserung, waren aber nicht der Weisheit letzter Schluss. Im Jahre 1845 aber machte der Engländer Robert Thomson eine bahnbrechende Erfindung – den luftgefüllten Reifen unter Einsatz von Kautschuk. Mit diesem Luftikus ließ sich der Rollwiderstand herabsetzen. Leider fehlte es an hinreichenden Anwendungsmöglichkeiten, was dazu führte, dass der Name des Erfinders und sein Patent in Vergessenheit gerieten. Dennoch, ein wichtiger Schritt war getan, der Weg zur Entwicklung moderner luftgefüllter Reifen vorgezeichnet. Die setzte, einige Unschärfen seien an dieser Stelle gestattet, ein mit der Entwicklung des Automobils und der Erfahrung von Schnelligkeit. Anfangs genügten bereits 20 Kilometer pro Stunde um einen Geschwindigkeitsrausch zu erleben. Mit der Entwicklung der Motoren, entwickelten sich die Karossen, entwickelten sich die Reifen weiter, die auf den ersten Blick eine eher untergeordnete Rolle zu spielen schienen – man brauchte sie, um fahren zu können. Später ab erkannte man, das Reifen eine überaus wichtige Funktion in puncto Treibstoffverbrauch und Sicherheit erfüllen, um nur einige Aspekte zu nennen.
Um nicht zu viel vorweg zu holen: Richtig los ging es mit der Reifen Entwicklung im Jahr 1888. John Boyd Dunlop erfindet den ersten brauchbaren luftgefüllten Reifen. Die entscheidende Entwicklung zu richtigen Zeit. Von da an ging es Schlag auf Schlag:
1890: Das Patent für Reifen mit Stahlseil im Wulst auf einer Tiefbettfelge und der Klemmbackenreifen von Barlett. Beide vereinfachen Montage und Demontage.
1895: Erster Einsatz von Pneumatik-Reifen in einem Langstrecktest durch André und Edouard Michelin bei dem Autorennen Paris-Bourdeaux-Paris.
1898: Erste luftbereifte Automobile kommen auf den Markt.
1904: Autoreifen erhalten Querprofile. Durch Zugabe von Ruß zum Gummi steigen Festigkeit und Langlebigkeit.
1905: Die Firma Continental bringt Autoreifen mit Metallnieten als Gleitschutz auf den Markt, ein Vorläufer der Spikes.
1906: Die von Michelin abnehmbare Felge macht den aufgepumpten Reservereifen möglich.
1917: Zeitgleich mit der Entwicklung des synthetischen Kautschuks bei Bayer bringt Goodyear den ersten LKW-Luftreifen auf den Markt.
1921: John Boyd Dunlop stirbt 8Ojährig in Dublin.
1922: Dunlop-Premiere auf der Internationalen Automobilausstellung: Erster Autoreifen mit Stahldraht im Wulst; ab 1924 und bis heute Produktionsstandard.
1923: Baumwolle wird für den Unterbau des Reifens als tragende Struktur verwendet. Und Michelin leitet mit dem Niederdruck-Ballonreifen ,,Confort“ eine neue Ara ein. Der Reifen wird mit 2,5bar gefahren (15.000 Kilometer Laufleistung); bis dahin waren 4,5bar üblich.
1930: Die bereits üblichen Profilblöcke auf der Lauffläche von Autoreifen werden bei Dunlop erstmals in den Abständen variiert, ein geringeres Ablaufgeräusch ist die Folge.
1932: Michelin stellt den "Super-Confort vor, der mit 1,5bar Luftdruck auskommt und bis zu 30.000 Kilometern Laufstrecke bieten soll.
1933: Der Reifenunterbau wird erstmals aus Rayon (Kunstseide/Nylonfaser) statt aus Baumwolle gefertigt.
1934: Aus dem Hause Michelin kommt ein neuer „SuperConfort“ Er besitzt erstmals Lamellen und damit eine ungewöhnlich gute Straßenlage bei Nässe.
1943: Jubel bei der Firma Continental: Sie erhält ein Patent für den schlauchlosen Reifen – heute eine Selbstverständlichkeit.
1946: Auch Michelin freut sich über ein Patent. Nämlich das für den Stahlgürtelreifen „Michelin X“, der gleichzeitig als Radialreifen gefertigt wird. Sie enthalten radial, also im rechten Winkel zur Laufrichtung ausgerichtete Karkassenfäden.
1950: Die ersten Matsch und Schneereifen (M+S) kommen auf den Markt.
1953: Die Mode ändert sich auch bei den Reifen: Pirelli stellt mit dem ,Cinturato' den ersten Textilgürtelreifen vor.
1959: Die ersten Rundschulter-Reifen kommen auf den Markt.
1962: Reifen erhalten eine Karkasse aus Polyestercord.
1964: Der erste „Super-Niederquerschnittsreifen" (0,82) wird vorgestellt. Die Flankenhöhe beträgt bei allen Größen also nur 82 Prozent der jeweiligen Laufflächenbreite.
In ihrem Element: Der Leiter der Oldtimer-Abteilung (Opel Classics) bei Opel, Wolfgang Scholz (li.), im Gespräch mit Marita und Michael Fletzoreck, Teilnehmer bei der Rally Creme 21. Das Ehepaar lebt den Traum der 1970er Jahre. Fotos: GDeußing
Weitere Details gefällig?
1965: Der asymmetrische Gürtelreifen, der Michelin XAS, wird vorgestellt.
1966: Erster Falt-Reservereifen, wird auch heute noch verwendet.
1968: Von Goodyear gibt es den Bias-belted-Reifen, mit Diagonal-Karkasse und Glasfiber-Gürtel.
1971: Pirelli liefert den ersten Hochleistungsbreitreifen der Serie 60.
1972: Dunlop baut den Sicherheitsreifen „Denovo".
1973: Metzler bringt den ersten Haftreifen mit blaugefärbter Lauffläche auf den Markt, Kleber den V10, ein Reifen mit Carbon-Gürtel aus faserverstärktem Kunststoff.
1975: Der Michelin TRX-Reifen hat Premiere: Ein System von Felge und Reifen mit Größenbezeichnungen nach einer neuen Millimeternorm, das bessere Fahreigenschaften liefern und als Systemerweiterung TDX im Pannenfall beschränktes Weiterfahren möglich machen soll. lm gleichen Jahr beginnen bei LIM in Österreich erste Versuche mit gegossenen Polyurethanreifen.
1980: Der Goodyear All Weather, der erste echte Ganzjahresreifen kommt auf den Markt.
1982: Michelin hat wieder einmal die Nase vorn und bringt den ersten modernen Winterreifen mit Lamellen auf den Markt.
1983: Dunlop stellt ein neues Rad-/Reifen-Sicherheitssystem vor: TD/Denloc. Die Denloc-Rille In der Felge und eine entsprechend ausgeformter Wulstzehe am Reifen verhindern das Abspringen des Reifens von der Felge bei plötzlichem Druckabfall und damit ein Ausbrechen des Fahrzeugs.
1985: Continental hat eine einfachere Lösung: Der Reifenwulst sitzt nicht mehr zwischen Hump und Felgenhorn sondern greift um die Felge herum- Trotz seiner Einfachheit setzt sie sich nicht durch.
1990: Conti kreiert den AquaContrakt, ein Hochleistungsbreitreifen mit zwei geteilter Lauffläche und tiefer Mittelrille.
1991: Vredestein entwickelt einen Breitreifen, der vorerst in zwei Größen auf den Markt kommt: 195/50 R 15 T und 205150 R '15 T. Neu ist die Geschwindigkeitsklasse T (bis 190 km/h) für Breitreifen, die für Breitreifen bis dato nur in H (bis 210 km/h) und V (bis 240 km/h) angeboten werden.
1992: Goodyear entwickelt den ersten Notlaufreifen oder auch Runflat-Reifen, mit dem man nach einer Reifenpanne noch bei verringerter Geschwindigkeit eine begrenzte Kilometerzahl zurücklegen kann.
1992: Michelin kombiniert erstmals Silica (Kieselsäure) mit einem synthetischen Elastomer. Dieses Gemisch ermöglicht die Herstellung von Reifen mit einem niedrigen Rollwiderstand und einer guten Haftung auf kalten Untergründen ohne Verlust der Verschleißbeständigkeit. Diese Innovation führt zur Entstehung von Reifentypen „mit niedrigem Rollwiderstand“, die zu einem verringerten Fahrzeugkraftstoffverbrauch beiträgt.
1993: Michelin führt den PKW-Reifen XH4 in Nordamerika ein. Laufleistung: sensationelle 80.000 Meilen, das sind fast 130.000 km!
1998: Dunlop entwickelt das DSST-System, mit dem das Fahrzeug bei einer Reifenpanne weiterfahren kann.
1999: Dunlop stellte ein Reifendruck-Warnsystem vor: WARNAIR. Es stellt einen Druckverlust automatisch fest und informiert den Fahrer durch eine akustische oder optische Warnung. Und Dunlop erhält als erster Hersteller das Umweltsignet "Blauer Engel" für einen Reifen, der besonders leise abrollt und mit dessen Hilfe zudem Kraftstoff gespart werden kann.
2001: Michelin entwickelt eine neue Technologie für Flugzeugreifen, die der Concorde erneut zum Start verhilft: Die Michelin-Radialreifen verfügen über die so genannte NZG-Technologie, die eine Reifenverformung bei einem Aufprall oder einer großen Druckänderung verhindert.
2002: Auf dem Genfer Autosalon kündigen Bridgestone und Continental eine technische Zusammenarbeit für die gemeinsame Entwicklung eines Runflat-Reifens als Konkurrenz zu den Runflat-Reifen von Goodyear an.
2003: Runflat-Reifen (RFT) werden mehr und mehr zum Standard. Der wichtigste Pluspunkt von RFT-Reifen ist die Kontrolle über das Fahrzeug auch bei plötzlichem Luftdruckverlust und die Möglichkeit der Weiterfahrt. Dies führt zu erhöhter Sicherheit, denn zum Einen ist ein Reifenwechsel auf engen oder stark befahrenen Straßen nicht notwendig, zum Anderen muss in Gefahrenbereichen nicht angehalten werden. Die Weiterfahrt zur nächsten Fachwerkstatt ist auf jeden Fall gewährleistet - ein deutliches Plus an Sicherheit. Zudem wird das Mitführen eines Reserverads überflüssig und somit Gewicht eingespart.
2004: Goodyear bringt den HydraGrip auf den Markt, Vorteil: Gleich gute Haftung bei Nässe und Trockenheit. Die patentierte Profiltechnik bietet beim Bremsen einen wesentlich höheren Fahrbahnkontakt – auch in Notsituationen bei starkem Regen
2006: Michelin Deutschland feierte am 17.12.2006 100. Geburtstag.
2008: Pirelli präsentiert den neuen Cinturato (Gürtelreifen). Der Reifen, der seit den fünfziger Jahren in der ganzen Welt zum Inbegriff für italienischen Fahrstil geworden ist, kommt in einer neuen Version auf den Markt, die voll und ganz auf innovative Technologie, Sicherheit und Umweltverträglichkeit setzt.
2010: Goodyear beginnt mit der Entwicklung eines Reifen aus erneuerbarer Biomasse. Das BioIsoprene™ Konzept wird auf dem Weltklimagipfel in Kopenhagen präsentiert.
Eine Bemerkung zu Schluss
Bei aller Betrachtung der unterschiedlichen „Schluppen“, die Autos, konventionelle und schnelle, im Laufe der Zeit getragen haben und heute noch tragen (ohne Kautschukreifen ist aller Fahrspaß nichts!) darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich auch die Karossen veränderten, wandelten, dem Zeitgeist anpassten, schnittiger, sicherer wurden. Und das nicht zu knapp, was schön zu sehen ist auf dem 34. Oldtimer Grand Prix des Automobilclubs von Deutschland vom 7.-9. August 2015 am Nürburgring. Mehr Infos über die Veranstaltung des AVD finden sich im Internet unter www.avd.de.