Der Weltraum mit seinen unendlichen Weiten beflügelt nicht nur die Fantasie der Schöpfer von Science-Fiction-Literatur, Hollywood-Filmen oder TV-Serien. Auch für die Wissenschaft ist das All eine Herausforderung - die zu bewältigen den Einsatz unterschiedlicher Werkstoffe erfordert. Kunststoff gehört dazu...
Materialien für Raumstationen oder Satelliten werden heute mit Raketen in die Erdumlaufbahn befördert. „Doch das ist nicht nur teuer, sondern verbraucht auch wertvolle Rohstoffe“, sagt Prof. Dr. Klaus D. Jandt von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Raketen können nämlich nur einmal für den Transport genutzt werden. Daher wird derzeit intensiv nach Alternativen für den Weg in den Orbit gesucht“, sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Materialwissenschaft weiter.
Große Hoffnungen setzen Jandt und seine Kollegen in das Konzept eines Weltraumlifts, bei dem eine Gondel von der Erdoberfläche bis zu einer geostationären Raumstation fährt und Satelliten direkt an Ort und Stelle aussetzt – ein Fahrstuhl ins All, sozusagen.
Den Jenaer Materialwissenschaftlern ist nun ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung der Grundlagen dafür gelungen: Wie der Physiker Matthias Arras, Prof. Jandt und ihre Kollegen von der Uni Jena in der aktuellen Ausgabe des renommierten amerikanischen Journals „Carbon“ berichten, haben sie einen neuen Polymer-Keramik-Verbundstoff entwickelt, der Potenzial für einen späteren Einsatz in einem Weltraumlift hat.
Basis des neuartigen Materials sind Kohlenstoff-Nanoröhrchen (engl. carbon nano tubes, kurz CNT). „Diese zigarrenförmigen Röhren aus reinem Kohlenstoff sind bis zu 30-mal zugfester als Stahl und dabei wesentlich leichter“, erläutert Jandt. Dies mache sie gerade für eine Anwendung als „Aufzugsseil“ in den Orbit interessant, das nicht nur extrem zugfest, sondern auch sehr leicht sein müsste. „Mit keinem anderen bisher bekannten Material wäre ein solches Seil zu realisieren“, sagt Jandt.
Doch die CNTs können ihre Eigenschaft nur dann entfalten, wenn sie alle in eine Richtung orientiert sind, „etwa so wie Zigarren in einer Zigarrenkiste,“ sagt Prof. Jandt und fährt fort: „Es bereitet immer noch Probleme, die Ausrichtung der CNTs, die einen Durchmesser von nur wenigen milliardstel Meter haben, zu erreichen“.
Und genau da ist den Jenaer Forschern nun ein Durchbruch gelungen. Sie brachten die CNTs zunächst in eine Polymerschmelze ein, die anschließend stark verstreckt (gezogen) wurde. „Durch das Ziehen an der Kunststoff-Schmelze entsteht ein hochorientierter Polymerträger“, erklärt Matthias Arras, Doktorand in Prof. Jandts Team. Dadurch ist der Polymerträger an sich schon sehr zugfest. Beim Erstarren der Polymerschmelze bildet sich ein amorpher Polymeranteil und es findet eine Grenzflächenkristallisation statt. Kristalle wachsen während des Ziehens geordnet auf den Kohlenstoff-Nanoröhrchen auf und verbinden sich mit diesen. „Die Polymerketten des amorphen Teils des Polymers verhaken sich während des Ziehens an den Kristallen auf den Kohlenstoff-Nanoröhren und ziehen diese so während der Verstreckung alle in eine Richtung“, erklärt Arras. „So entsteht eine extrem hohe Ausrichtung der Röhrchen, die so in Polymeren noch nicht beobachtet wurde.“
Da Kohlenstoff-Nanoröhrchen ähnliche physikalische Eigenschaften wie Keramiken haben, werde sie zu dieser Werkstoffgruppe gezählt. „Wir erwarten fantastische neue Eigenschaften des neuen Polymer-Keramik-Verbundwerkstoffes“, freut sich Professor Jandt, warnt aber vor zu großer Euphorie: „Bis zum Einsatz des Weltraumlifts werden sicher noch einige Jahre vergehen.“
Quelle::
Arras MML et al. Alignment of multi-wall carbon nanotubes by disentanglement in ultra-thin melt-drawn polymer films. Carbon (2013), http://dx.doi.org/10.1016/j.carbon.2013.04.049