k-online: Welche Risiken gehen von Mikroplastikpartikeln aus?
Prof. Laforsch: Wir haben bei unterschiedlichsten Organismen verschiedenster trophischer Ebenen nachgewiesen, dass sie Mikroplastik aufnehmen. Der Beleg wurde erbracht bei Organismen, die an der Wasseroberfläche ihre Nahrung aufnehmen, bei Organismen, die in der Wassersäule Nahrung aufnehmen, und auch bei Organismen, die im Sediment leben. Auch der Wasserfloh frisst Mikroplastikpartikel, weil er sie mit natürlichen Nahrungsbestandteilen verwechselt, Hauptgrund für die Aufnahme von Mikroplastik durch Tier und andere Organismen.
k-online: Welche Konsequenzen resultieren aus dieser Verwechselung?
Prof. Laforsch: Albatrosse etwa, um ein sehr prägnantes Beispiel anzuführen, verwechseln im Wasser treibendes Plastik mit kleinen Fischen oder Kalmaren. Die Vögel verfüttern es daraufhin an ihre Jungen. In manchen Regionen ist die Population der Albatrosse um bis zu 80 Prozent zurückgegangen ist, weil Jungtiere verhungert sind. Oder: Schildkröten verwechseln, im Wasser treibende Plastiktüten mit Quallen und verenden. Die meisten Tiere fressen Plastik, weil Sie es mit natürlicher Nahrung verwechseln, weil es natürlicher Nahrung anhaftet oder weil es von organischem Material (Biofilm) umgeben ist. Allerdings gilt es zu sagen, bislang sind die Auswirkungen von Plastik auf Organismen nicht wirklich gut untersucht.
k-online: Wird das Plastik nicht über den Verdauungstrakt wieder ausgeschieden?
Prof. Laforsch: Manche Organismen scheiden alles, was sie aufgenommen haben, wieder aus. Allerdings wurden in den zugrundeliegenden Studien Plastikkügelchen verwendet. Es ist potenziell möglich, dass kleinste Mikroplastikpartikel von Zellen – auch menschlichen Zellen – aufgenommen und in den Organismus eingeschleust werden können. Ob Mikroplastikpartikel gewebegängig sind, hängt vermutlich von deren Oberflächenbeschaffenheit ab.
k-online: Mit welchen Folgen ist zu rechnen, wenn Mikroplastik ins Gewebe aufgenommen wird?
Prof. Laforsch: Es konnte gezeigt werden, dass die Aufnahme von Mikroplastik durch Muscheln zu entzündlichen Reaktionen im Gewebe führen kann. Zudem hat Plastik die Eigenschaft, im Wasser befindliche Schadstoffe anzureichern. Werden die kontaminierten Mikroplastikpartikel von Fischen gefressen, können die Schadstoffe deren Leber schädigen, wie Studien belegt haben. Zudem können bei der Herstellung der Kunststoffe verwendete Additive giftige oder hormonelle Wirkung in den aufnehmenden Organismen hervorrufen.
k-online: Was sind das für Schadstoffe, die sich an die Plastikpartikel anlagern?
Prof. Laforsch: Zum Beispiel handelt es sich um Rückstände vor allem in der Landwirtschaft eingesetzter Pestizide oder persistenter beziehungsweise langlebiger organischer Verbindungen (POP). Das sind Stoffe, die in der Umwelt nur sehr langsam abgebaut oder umgewandelt werden.
Hintergrundinformationen zu Persistenten (langlebigen) organischen Verbindungen
k-online: Lässt sich sagen, um welche Kunststoffart es sich den Mikroplastikpartikeln handelt?
Prof. Laforsch: Es gibt spektroskopische Verfahren, mit denen man die Polymersorte identifizieren kann. Hauptsächlich findet man Polymere wie sie zur Herstellung von Plastikflaschen oder Plastiktüten dienen.
k-online: Lässt sich anhand der Mikroplastikpartikel sagen, von welchem Produkt es herrührt?
Prof. Laforsch: Eher nicht, das ist schwierig, insbesondere bei kleinen Mikropartikeln. Allerdings lässt sich mit Blick auf die unzähligen Plastiktüten und Plastikflaschen, die in der Umwelt liegen, vermuten, dass der Großteil von Verpackungsmaterialien stammt.
k-online: Apropos, was halten Sie davon, den Einsatz von Plastiktüten zu verbieten?
Prof. Laforsch: Das mag ein guter Ansatz sein, mit Verboten zu arbeiten. Allerdings kann ich nur jedem Verbraucher ans Herz legen, sich stets von Fall zu Fall klar zu machen, ob eine Plastikflasche, eine Plastiktüte, einen Doppelverpackung aus Kunststoff notwendig ist. Wer solche polymere Materialien oder Produkte unachtsam wegwirft oder dort lagert, wo sie mit dem Wind unkontrolliert in die Umwelt geblasen werden können, trägt unweigerlich zur Entstehung von Mikroplastik bei. In letzter Konsequenz landet der Müll irgendwann einmal wieder beim Verbraucher – auf seinem Teller.