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Mit einem Polymerschlauch auf Geisterjagd

Für das Volk der Himba sind die vegetationsreduzierten runden Gebilde im Boden der Wüste Namib mystischen Ursprungs. Sie gleichen den hierzulande seit Jahrhunderten bekannten Kornkreisen, die mancher als Hinterlassenschaft Außerirdischer interpretiert wissen will. Wissenschaftler aus Südafrika haben sich zum Ziel gesetzt, das Geheimnis der rätselumwobenen „Feenkreise“ zu lüften. Aus ihrer Perspektive liegen die Ursachen allerdings nicht extraterrestrisch, sondern ganz ordinär innerirdisch. Ein Polymerschlauch soll helfen, das Geheimnis zu lüften.

Es ist heiß in der Namib und kalt, die Trockenheit in der kargen, von Gras durchzogenen Wüstenlandschaft namenlos. Das Quecksilber überschreitet am Tage mancherorts die 50-°C-Marke und sinkt in der Nacht unter den Gefrierpunkt. Wenn die Sonne über dem afrikanischen Kontinent aufgeht, lässt sie nicht alleine die Temperatur in der Wüste hochschnellen. Sie wirft dabei auch ihr Licht auf das von Mythen und Märchen umwobene Rätsel der Feenkreise, die sich zu Tausenden in die Weite der Namib erstrecken, Kreis neben Kreis, und dem Wüstenboden ein pockennarbiges sandfarbenes Antlitz verleihen.

Ihre Gleichförmigkeit, Menge und Anordnung regten zu allen Zeiten die Fantasie des Menschen an. Weil es seine Eigenart ist, hinter Naturdarbietungen von solch regulärer Art einen tieferen Sinn oder eine höhere Macht zu vermuten, entstanden Geschichten. In den Erzählungen der Himba, eines in Nordnamibia halbnomadisch lebenden Volkes, ist von einem Drachen die Rede, der im Wüstenboden haust und Feuer atmet, das in heißen Blasen an die Erdoberfläche steigt und den Boden kreisrund versengt – gemäß den Vorstellungen der Himba die Geburtsstunde eines Feenkreises.

Diese Beschreibung ist naiv – wie so vieles Folkloristische; dennoch erweist sie sich bei genauem Hinsehen näher an der Wahrheit als jene Erklärungen, die Wissenschaftler in den 1970er- und 1980er-Jahren fanden und an denen manch vermeintlich kluger Kopf bis heute festhält: Demnach seien Feenkreise die Hinterlassenschaft kleiner Termiten, die auf ihrer Futtersuche kreisrunde Löcher in den kargen Rasen fraßen. Andere Experten verdächtigten Ameisen, die den Boden in geometrisch runder Form von Grassamen befreiten und damit für eine punktuelle zirkulare Vegetationslosigkeit sorgten [1].

„Dem ist nicht so“, räumen nun Wissenschaftler der Universität Pretoria in Südafrika mit dem ganzen Hokuspokus auf. Statt sich auf Spekulationen zu stützen, machten sich die Chemiker Yvette Naudé und Egmont Rohwer vom Fachbereich Chemie und Kollegin Gretel van Rooyen vom Fachbereich Botanik auf den Weg in die Namib, um mit den Mitteln der instrumentellen chemischen Analytik an einer naturwissenschaftlich korrekten, nachvollziehbaren Aufklärung des Phänomens der Feenkreise zu arbeiten. Die Erkenntnisse ihrer Forschung lassen erstmals einen wirklich ernstzunehmenden Rückschluss auf die wahren, so viel scheint sicher, natürlichen und mit geochemischen Prozessen zu erklärenden Ursachen zu [2].

Und der Boden atmet doch
Der erste Schritt, den Naudé und Kollegen vor Ort in der Wüste vollzogen, war die optische Bestandsaufnahme, ähnlich der, die Kriminalbeamte an einem Tatort vornehmen. Fürs Protokoll: Feenkreise sind runde, vegetationsfreie beziehungsweise von noch lebender (vergilbender) oder abgestorbener (vergilbter) Vegetation besiedelte Bodenareale. Gesäumt sind sie in der Regel von vergleichsweise üppiger Vegetation. „Keines der vergilbten Gräser im Kreisinnern wies Spuren der Fresswerkzeuge von Termiten auf“, schildert Yvette Naudé die Beobachtungen. Und die Tatsache, dass im inneren Zirkel sowohl tote wie lebende Vegetation vorzufinden sei, gebe Grund zu der Annahme, mutmaßt die Wissenschaftlerin, dass man es hier mit einem Feenkreis zu tun habe, der sich in der Entstehung befinde. Soweit zur Theorie von fressenden Termiten und Grassamen sammelnden Ameisen, die damit widerlegt wurde und als falsch abgehakt werden kann.

Die teils üppige Vegetation am Rand der Feenkreise bringt eine weitere Annahme ins Spiel, nämlich die der allelopathischen Verbindungen, die u. a. manche Pflanze abzusondern in der Lage ist, um eine andere Vegetationsform zu schädigen, die ihr den Lebensraum streitig macht. Sind die Pflanzen im vegetationsüppigen Randbereich der Feenkreise dazu in der Lage? Diese Überlegung erscheine bei einer oberflächlichen Betrachtung zunächst einmal durchaus plausibel, urteilt Yvette Naudé. Anbauversuche bewiesen jedoch, dass Allelopathie hier keine Rolle spielt. Außerdem bilden sich Feenkreise auch in per se völlig vegetationsfreien, sandigen Arealen: „Der Sandboden in diesen Feenkreisen sieht erschüttert und aufgewühlt aus“, schildern die Forscher, „ähnlich den Kratern, die man auf dem Meeresboden entdeckt hat und die von aus dem Erdreich aufsteigenden Gasblasen herrühren.“

Von dieser Kausalität ausgehend, formulierten Yvette Naudé und Kollegen eine vorsichtige Hypothese, nämlich dass Gase und Flüssigkeiten geologischen Ursprungs bei der Entstehung der Feenkreise die entscheidende Rolle spielen. Die Theorie der Wissenschaftler: „Die Gase sickern ins Erdreich ein und steigen auf spezifischen Migrationswegen auf, und wenn sie die Oberfläche erreichen, breiten sie sich aus und bilden Kreise.“

Mögliche Quellen für Gase oder Gasblasen gäbe es zur Genüge, meint Yvette Naudé, angefangen bei großen Erdöl- und Erdgasvorkommen, die man in Namibia gefunden habe, bis hin zur Geothermie, über die das Land verfüge und die sich an den heißen Quellen in den Kurorten Namibias zeige.

 
 

Von der Theorie in die Praxis
Die Wissenschaftler starteten ihre Untersuchungen damit, in ausgewählten Feenkreisen sowie im Bereich dazwischen, also dem Erdreich ohne geobotanische Anomalie, der Matrix, durch Einbringen geeigneter Trichter die Gaszusammensetzung im Boden zu bestimmen. Im Tagesverlauf wurde mittels eines tragbaren Gasanalysators mehrfach der Gehalt an Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Sauerstoff, Schwefelwasserstoff sowie Stickstoffdioxid bestimmt. Die Gasanalyse erlaube etliche Aussagen hinsichtlich der Bodenchemie, berichtet Yvette Naudé.

Kohlenmonoxid etwa lasse Rückschlüsse auf das Vorhandensein von Erdgas zu. Erdgas erweist sich zwar nicht als Pflanzengift, jedoch als ein wichtiger Stressfaktor für die Vegetation. Es habe sich nämlich gezeigt, dass Kohlenwasserstoffe die Tätigkeit von oxidierenden wie auch zum Beispiel Schwefel reduzierenden Bakterienstämmen steigert, welche den Sauerstoffgehalt im Boden reduzieren. Dies kann weitreichende, geradezu kaskadenartige Folgen für die Bodenchemie haben, erklären die Wissenschaftler: „Unabhängig davon, dass der Sauerstoffgehalt im Boden der Feenkreise periodisch sinkt, wie wir es auch bei unseren Messungen feststellen konnten, kann der Auftrieb von Gasen zu einer vermehrten Bildung organischer Säuren führen, die wiederum den pH-Wert des Bodens und damit die Verfügbarkeit von Mineralstoffen, die für das Pflanzenwachstum notwendig sind, schmälern.“

Pflanzen, die in separiertem Erdreich aus Feenkreisen angebaut wurden, berichten die Wissenschaftler weiter, „blühten nicht, im Gegensatz zu Pflanzen, die in Erde aus den vegetationsreichen Randbezirken der Feenkreise sowie in der Matrix angepflanzt wurden“. Um sich ein genaueres Bild von der Zusammensetzung der Kohlenwasserstoffverbindungen im Erdreich der Feenkreise zu machen, bedienten sich die Wissenschaftler einer speziellen Analysentechnik, namentlich der Thermodesorption in Verbindung mit der Gaschromatographie und der massenselektiven Detektion.

Die Wissenschaftler entnahmen an ausgewählten Stellen Bodenproben; jeweils 40 Gramm wurden in ein vorbereitetes verschließbares Probengefäß gefüllt. Hinzu gaben sie als Extraktionsmedium zunächst ein Glasstäbchen, das in seinem Inneren einen Magnetkern hat, um im Chemielabor als Rührstäbchen zu fungieren; von außen aber ist es mit einem speziellen Kunststoff ummantelt, dem Polydimethylsiloxan (PDMS). PDMS hat, obgleich ein Feststoff, vereinfacht gesagt, die Eigenschaft eines Lösungsmittels: unpolare Verbindungen lösen sich darin und lassen sich durch Erwärmen wieder freisetzen.

Und so gingen die Wissenschaftler aus Südafrika weiter vor: Die Probenfläschen wurden verschlossen und für die Dauer von 50 Minuten auf 50 °C erwärmt. Als sie das mit PDMS ummantelte Rührstäbchen der Probe schließlich entnahmen, hafteten an dessen Enden magnetische Partikel an. Laut Yvette untermauert das ihre Theorie der Mikroversickerung von Kohlenwasserstoffverbindungen: „Rund 80 Prozent aller entdeckten Öl- oder Gasvorkommen sind mit durch Kohlenwasserstoffe induzierte magnetische Anomalien gekennzeichnet“, berichten die Forscher. Die oberflächennahen magnetischen Ablagerungen wiederum würden vorwiegend durch mikrobielle Änderungen magnetischer bzw. eisenhaltiger Mineralien innerhalb der Kohlenwasserstoffversickerung hervorgerufen.

Um eine Störung der Thermodesorptions-GC/MS durch magnetische Partikel zu unterbinden, setzte Yvette Naudé anschließend eine pure PDMS-Phase als Extraktionsmedium ein, überschüttete diese im Probenfläschchen mit der Bodenprobe, die sie in ähnlicher Weise wie das PDMS-Rührstäbchen behandelte und thermisch desorbierte und analysierte.

Was zu beweisen war
Die Ergebnisse sprachen für sich, erinnert sich die Wissenschaftlerin. Auch die hierbei erzielten Resultate stützen ihre Hypothese: „Wir detektierten Alkene, mikrobiologische Abbauprodukte von Alkanen: größere Alkengehalte im Boden aus dem Zentrum der Feenkreise, kleinere in der Matrix, also im Boden ohne geobotanische Anomalie.“ Das wiederum zeuge von einer hohen mikrobiellen Aktivität im Boden der Feenkreise. Zudem ließe das Verhältnis von Alkan- und Alkengehalt Rückschlüsse auf die Aktivität des Feenkreises zu: Größere Alkangehalte lassen auf einen kürzlich aktiven Kreis schließen.

„Unsere Ergebnisse stützen die Theorien über Termiten oder Ameisen nicht“, bringt es Yvette Naudé auf den Punkt. Bleibt jetzt nur noch zu klären, warum Feenkreise rund sind! Yvette Naudé hat eine plausible Erläuterung: „Der aufliegende Sand verursacht eine Verteilung beziehungsweise ein kegelformartiges Einsickern der aufsteigenden Gase, was, oberflächlich betrachtet, als kreisrunde Vegetationsarmut sichtbar wird. Die Kreise sind von unterschiedlicher Größe und können je nach Versickerungsraten, Sandbedingungen und der zugrundeliegenden Geologie beträchtlich variieren.“

Möglicherweise haben Naudé und Kollegen mit ihrer Erklärung der Feenkreise durch geochemische Prozesse in der Namib nun auch einen plausiblen Ansatz geliefert, um das Geheimnis der hierzulande bekannten Kornkreise zu lüften.

Quelle
1 Basic and Applied Dryland Research 1, 2 (2007) 121-137
2 Journal of Arid Environments 75, 5 (2011) 446-456

Danksagung
Ein besonderes Dankeschön geht an Dr. Yvette Naudé und Kollegen sowie an Marc Springer von der „Namibia Allgemeine Zeitung“ für die Überlassung des im vorliegenden Beitrag verwendeten Bildmaterials.

Copyright:
Guido Deußing

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