Ein Wort ist in der Lage, verschiedenste Bilder unterschiedlichster Schattierungen, Vorstellungen oder Visionen in die Köpfe der Menschen zu zaubern, der persönliche Hintergrund spielt dabei eine beeinflussende Rolle. Während der Begriff „Kohlenstoff“ den einen gedanklich in seine Erfahrungswelt „Chemieunterricht“ oder die letzte Vorlesung in organischer Chemie zurückführt, findet der andere Gefallen an der Vorstellung, seinen Grill mit Holzkohle zu bestücken, dunklen Rauch aus einer Feuerstelle aufsteigen zu sehen und mit Freunden ein krosse Bratwurst zu vertilgen.
Nimmt man nun das Wort Carbon, erweist sich eine bildliche Zuordnung im nicht Englisch sprechenden Ausland zunächst als schwierig. Allerdings spielt auch hier wieder die persönliche Erfahrung eine wichtige Rolle. Üblicherweise fällt das Wort häufig im Zusammenhang mit teuren Sportfahrrädern. Im Geiste windet sich dieser Begriff um einen gesund und vor kraft strotzenden Menschen, der in eleganter Sportbekleidung auf schwarzen Hightech-Rädern durch die Natur radelt. Nicht radelt, das macht man(n) auf dem Weg zum Biergarten. Der Sportler flitzt. Rast. Rauscht. Bei genauer Betrachtung besitzt der Begriff Carbon gegenüber seiner deutschen Übersetzung Kohlenstoff den Sexappeal eines Superhelden. Das Potenzial, unmögliches möglich zu machen.
Dieses Potenzial ist aber nicht abhängig von der Bezeichnung, sondern einzig und allein vom Material selbst, dem Kohlenstoff beziehungsweise Carbon, der als der Leichtbauwerkstoff der Zukunft betrachtet wird. Zu Recht, dennoch ist Kohlenstoff/Carbon nur eine, wenngleich auch wichtige Zutat des Leichtbauwerkstoffs. Was fehlt, ist der Kunststoff, in den der Kohlenstoff eingebunden wird. Erst diese Verbindung zu einem Kohlenstofffaser respektive Carbonfaser verstärkten Kunststoff (CFK) macht den Materialverbund zu dem, was er ist – der Leichtbau-werkstoff der Zukunft.
Fakten und Zahlen
Bevor wir einen Blick auf die Details werfen, lassen wir an dieser Stelle Zahlen sprechen. Ein wesentliches Merkmal, dass bei hochbelasteten Werkstoffen genauestens unter die Lupe genommen wird, ist die Festigkeit. Hierzu werden Werkstoffproben unter Zuglast gestellt. Im Anschluss daran wird gemessen, um wie viel sich die Probe gedehnt hat. Unter Berücksichtigung von Gewichtskraft, Querschnitt der Probe und Länge der Auslenkung wird der E-Modul-Wert [Maßeinheit Newton/Millimeter] der Probe ermittelt. Die Faustformel besagt: Je größer der E-Modul-Wert, desto weniger dehnt sich der Werkstoff und umso höher ist seine Steifigkeit.
Kunststoffe besitzen ein E-Modul von 200 bis 15.000. Stahl 210.000 und Aluminium von 50.000. Der E-Modul-Wert einer Glasfaser wiederum liegt bei 71.000-87.000 und der einer Kohlefaser bei sage und schreibe 228.000 bis 490.000. Das bedeutet, ein Verbund von Kohlefasern und Kunststoff ist nicht nur leichter als der zwischen Metall und Kunststoff; CFK bilden obendrein auch noch viel stabilere Werkstoffe. [8]
Und das, ob wohl Kohlefasern so zierlich sind. Sie ist nur wenige Mikrometer dick und etwa zehnmal dünner als ein menschliches Haar. Sie werden in Mengen von tausenden Fasern zu Bündeln zusammengefasst und können auf diese Weise – als Kohlenstofffasergarn – unter anderem zu Stoffen weiterverarbeitet werden, die in einer Form in Kunststoff eingebettet werden und unter Einfluss von hohen Temperaturen aushärten und den für die jeweilige Anwendung interessanten Werkstoff bilden.
CFK werden bislang vor allem in der Luft- und Raumfahrt sowie im Bereich der Formel 1 und Fahrradtechnik eingesetzt. Sobald das Ziel erreicht ist, die Fertigung von CFK zu automatisieren, ist damit zu rechnen, dass der Werkstoff vor allem auch in der Autoindustrie und auch im Bereich des Maschinenbaus vermehrt eingesetzt wird.