Fahrrad eines Obdachlosen in London, behangen mit unzähligen Plastiktüten, darin all sein Hab und Gut. Plastiktüten – billige, bis zu einem gewissen Grad robuste und gleichsam leichte wasserabweisende Transportbehälter. Obdachlose wissen den Wert eines Plastikbeutels zu schätzen. Quelle: istockphoto / mikeinlondon
Polymeren können schon viel. Aber das es offensichtlich Menschen gibt, die einer Plastiktüte mehr vertrauen als einer Bank, wie ein Meldung der Deutschen Presse Agentur vom 30. Juli 2015 vermuten lässt, erscheint doch ein wenig denkwürdig.
Manche stecken es in Socken, klemmen es zwischen Buchseiten oder legen es unter die Matratze. Noch heute gibt es Menschen, die ihr Erspartes nicht der Bank anvertrauen, sondern an einem geheimen Ort daheim aufbewahren. Was aber, wenn man zwar über Geld, nicht aber über ein trautes Heim verfügt? Wohin steckt jemand seine Moneten, der die Straße sein Zuhause nennt, der obdachlos ist?
Die „Deutschen Presse Agentur“ berichtete neulich von einer 83jährigen in einem Obdachlosenasyl in Düsseldorf verstorbenen Frau. Als man ihren Nachlass sichtete, kamen unerwartete Mengen Geld zum Vorschein, unter anderem 45.000 Euro in 500-Euro-Scheinen, 6600 US-Dollar sowie Schmuck und Zahngold – eingewickelt in ein Taschentuch und aufbewahrt in einer Plastiktüte.
Niemand weiß, woher das Geld und die Wertsachen stammen, und es wird vermutlich schwer sein, diese Frage zu klären. Nicht ganz so schwer wird es wohl sein, jemanden zu finden, der das Erbe der alten Frau antreten mag: Obdachlose mögen stinken. Geld tut das bekanntlich nicht. Derzeit läuft die Suche nach Verwandten und Angehörigen der Toten.
Warum die Verstorbene das Geld nicht auf die Bank gebracht hat, über diese Frage lässt sich trefflich spekulieren: Weil sie dem deutschen Bankenwesen nicht über den Weg traute oder weil sie stets und unter allen Umständen „liquide“ sein wollte oder weil sie vielleicht geistig verwirrt und schlicht geschäftsuntüchig war? Wer weiß das schon?
Bezeichnend ist allerdings, dass sie ihr Geld in einer Plastiktüte mit sich herumtrug und nicht in einem Portemonnaie. Wer würde in einer Plastiktüte einen Schatz vermuten? Dabei passt der Begriff Geldbeutel doch viel besser zur Plastiktüte als zum Portemonnaie? Immer noch werden mehr Portemonnaies gestohlen als Plastiktüten.
Leider besitzt die Plastiktüte keinen wirklich guten Ruf. Man bedient sich ihrer, um Dinge von Wert zu transportieren. Manches Mal ist die Plastiktüte wertvoller als das transportierte Gut.
Kunststoff ist ein Hightech-Produkt, das aber scheint oft übersehen zu werden. Die Plastiktüte – ein Stoff von Wert. Wenn sich dieser Gedanke einmal in der Gesellschaft durchgesetzt hat, wird man gut beraten sein, seine Wertsachen wieder in die klassische Geldbörse zu stecken. Dann werden Plastiktüten zum begehrten Diebesgut!
Für die alte Dame besaß "ihre" Plastiktüte einen unschätzbaren Wert, sicherlich des Inhalts wegen, und weil Plastik wasserdicht ist und zudem einigermaßen robust und reißfest, und sie war schwarz und blickdicht, gut geeignet, einen Schatz vor fremden Augen sicher zu verbergen.
Wertvoll oder wertlos – immer eine Frage der Perspektive. Bei der Gelegenheit: Wäre es nicht manchmal angeraten, alte und festgefahrene Standpunkte kurzerhand zu überdenken und zu hinterfragen? Keine schlechte Idee, oder, und zwar nicht nur im Umgang mit der Plastiktüte, sondern auch in Bezug auf sozial benachteiligten Menschen. GDeußing