Muscheln und Austern produzieren einen Stoff, mit dem sie sich unter Wasser an steinigem Grund und anderen Oberflächen beinahe unablösbar festsetzen können. Der Versuch, einen künstlichen Muschelkleber zu entwickeln, der auch in salzhaltigem Wasser wirkt, ist bislang nicht geglückt. Japanischen Forschern scheinen nun aber einen Weg gefunden zu haben, einen solchen Kleber mit Haftwirkung auch unter marinen Bedingungen zu erzeugen.
Einen Klebstoff zu entwickeln, der auch unter Wasser funktioniert, daran arbeiten Wissenschaftler in aller Welt. Hierbei orientieren sie sich vor allem an maritimen Lebewesen wie Muscheln und Austern, die sich mit nahezu jedem Untergrund unter Wasser nahezu untrennbar verbinden können, und zwar mithilfe eines auf natürliche Weise erzeugten Polymerklebstoffs.
Oberflächen oder Salzwasser verhindern die Ausbildung einer Haftung künstlicher polymerbasierter Muschelklebstoffe. US-amerikanische Wissenschaftler ist es jedoch gelungen herauszufinden, wie es Muscheln gelingt, Haftung zu bekommen. Wasser ist polar und bildet auf steinigem, seiner Natur nach elektrisch negativ geladenen Untergrunds eine elektrisch positiv geladene Hydratationsschicht, die die Ausbildung einer Haft- oder Klebeschicht verhindert. Muscheln lösen das Problem, indem sie diese elektrische Ladung mithilfe von Klebeproteinen, die sie ausscheiden und die große Anteile an den Aminosäuren Lysin und Arginin enthalten und bevorzugt positive Partialladungen tragen, neutralisieren. Die Abstoßungskräfte zwischen gleichen Ladungen werden damit beseitigt, und die Muscheln können sich festsetzen.
Ursächlich für diese Verbindung seien vermutlich in Muschelproteinen enthaltene aromatische Alkohole, sogenanntes 1,2-Dihydroxybenzol (Catechol), wie man es auch in Baumharz und in Buchenholzteer findet. Wissenschaftler der Universität in Hokkaido/Japan haben jetzt offenbar einen Weg gefunden, um auch unter Wasser Haftwirkung zu erzeugen [2]. Sie bauten dazu Polymerketten aus zwei Arten von Monomeren. Einer enthält einen positiv geladenen (kationischen) Rest und der andere enthält einen "aromatischen" Ring; im Aufbau vergleichbar mit 1,2-Dihydroxybenzol (s.o.). Wie man von Biosystemen wie der Muschel weiß, erleichtern benachbarte kationisch-aromatische Aminosäuresequenzen in Proteinen elektrostatische Wechselwirkungen in Salzwasser. Allerdings habe es sich schwierig erwiesen, solche Sequenzen in synthetische Polymere einzuführen. Dennoch fanden die Forscher einen wirksamen, kostengünstigen Weg, benachbarte kationisch-aromatische Sequenzen in Polymere zu integrieren und ein Hydrogel zu entwickeln, das gut auf negativ geladenen Oberflächen in Salzwasser haftet. Hydrogele aus verschiedenen kationisch-aromatischen Monomerkombinationen hätten eine schnelle, starke, wohl aber reversible Haftung auf den Oberflächen gezeigt. Die Adhäsion sei weitgehend der elektrostatischen Wechselwirkung zwischen den positiv geladenen Rückständen auf den Polymeren und den negativ geladenen Oberflächen zu verdanken gewesen, berichten die Forscher. Weniger gut hafteten Polymere dieser kationisch-aromatischen Monomere ohne benachbarte Sequenzen, was darauf hindeute, dass benachbarte aromatische Reste die elektrostatische Wechselwirkung in Umgebungen mit hoher Ionenstärke intensivierten. Die Forscher gehen davon aus, dass ihr sequenzgesteuertes polymeres Hydrogel sich künftig erfolgreich als Kleber bei Unterwasserleckagen, als Seesandbindemittel zum Schutz der Meeresumwelt und auch als Koagulationsmittel für Beton im Meer einsetzen lasse. (GDeußing)