Landeklappen an einer Boeing 737. Quelle: istockphoto/ScienceCom
Sprit einsparen und Kosten senken, das ist das Ziel der Fluggesellschaften. Wenn dabei noch die Umwelt geschont werden kann, umso besser. Im Rahmen des Projekts SARISTU der Europäischen Union (EU) soll versucht werden, den Kerosinverbrauch von Flugzeugen um sechs Prozent zu senken. Kunststoffe spielen bei diesem Vorhaben eine wichtige Rolle.
Ab in den Urlaub… Ferienzeit ist Flugzeit: Rund 2,2 Milliarden Menschen steigen jährlich in den Flieger, sei es, um in den Urlaub zu fliegen oder um auf Geschäftsreise zu gehen. So bequem und sicher die Fliegerei auch ist, sie hat auch einen Haken:
Die Jets blasen im Betrieb jede Menge Schadstoffe in die Luft und belasten damit die Umwelt. Fluggesellschaften, Flugzeugbauer und Wissenschaftler arbeiten daher daran, den Kerosinverbrauch der Flugzeuge zu senken und damit zum einen Ausgaben zu minimieren, Sprit ist bekanntermaßen teuer, und letztlich damit auch die Umwelt zu schonen. Diese Motivation steckt auch hinter dem EU-Projekt SARISTU, das Akronym steht für „Smart Intelligent Aircraft Structures“.
Worum geht’s? Im Gegensatz zu Vögeln, die ihre Federn während des Fluges an die Luftströmung anpassen und damit Kräfte nutzen und einsparen können, sind die flugrelevanten Bauteile im beziehungsweise am Flugzeug starre, unbewegliche Gebilde. Das gilt auch für die Landeklappen, die an der Hinterkante der Flügel angebracht sind und zur Landung ausgefahren werden.
Abgesehen davon, dass die Landeklappen über eine Achse ausgefahren werden, sind sie völlig steif und unbeweglich. Um nun aber einen dem Vogelflug nachempfundenen Einfluss auf die Aerodynamik des Flugzeugs nehmen zu können, müssen sich die Landeklappen der Luftströmung anpassen, erklärt Martin Schüller, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS in Chemnitz.
Die hierfür erforderliche Mechanik wurde bereits entwickelt, und auch die Software, die zur Steuerung benötigt wird, wurde bereits in Zusammenarbeit mit italienischen Kollegen des Luftfahrtinstituts CIRA und der Universität Neapel programmiert. Was fehlt und als Prototyp derzeit getestet wird, ist die Hülle der Landeklappen, die wie eine Haut vergleichsweise flexibel und dehnbar sein muss. Daran werkeln derzeit Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen.
Eines jedenfalls scheint offenkundig: Die grundlegende Lösung kann nur polymerbasiert sein: „Wir haben eine Silikonhaut kreiert, in der sich starre und weiche Elemente abwechseln“, erläutert Andreas Lühring, Wissenschaftler am IFAM. Jede Landeklappe besteht aus fünf harten und drei weichen Bereichen, über die eine flexible und dehnbare, sprich extrem belastbare Haut aus Silikon gespannt wird. Die weichen Elemente befinden sich jeweils über der Mechanik, also an den Stellen, die am meisten gedehnt werden.
Das Besondere an der beschriebenen Materialkombination liegt nicht nur in dem neuartigen Aufbau, sondern auch im Material an sich: Die Dehnelemente bestehen aus einem temperaturbeständigen Elastomerschaum, der weder bei minus 55 °C noch bei 80 °C seine Elastizität einbüßt. Vier 90 Zentimeter lange Prototypen – zwei davon mit Hautsegmenten – sind derzeit in der Testphase.
Doch damit nicht genug: Sechs Prozent Kerosin lassen sich nicht allein durch eine einzige Verbesserung einsparen – dazu ist eine ganze Reihe von Ansätzen nötig. In einem zweiten Teilprojekt widmen sich die Forscher vom IFAM daher dem Wingtip, mit anderen Worten der aufgestellten Flügelspitze. Das Konsortium von SARISTU hat eine Klappe entwickelt, die in der Flügelspitze angebracht ist und ihre Form während des Fluges so verändert, dass der Luftwiderstand möglichst klein ist. Doch zwischen Klappe und feststehendem Flügel darf kein Spalt entstehen, denn dieser würde den Effekt aufheben. „Wir haben daher ein elastisches Verbindungselement entwickelt, und zwar von der chemischen Zusammensetzung über die Verfahrenstechnik bis hin zur Herstellung des Bauteils, sagt Lühring. Auch dieses Bauteil behält seine Elastizität über den gesamten Temperaturbereich zwischen 80 Grad Celsius und minus 55 Grad Celsius – und trotzt zudem der starken Windbelastung. Was Polymere alles zu leisten in der Lage sind, oder? GDeußing