Am 28. März 1880 wird Fritz Klatte, ein Pionier der Kunststoffchemie, geboren. Seine Patente aus den Jahren 1912 und 1913 bildeten die Grundlage für die ersten thermoplastischen Polymere, insbesondere Polyvinylchlorid (PVC). Ihren weltweiten Siegeszug zu erleben, blieb Klatte versagt – sein Tod mit nur 53 Jahren ließ andere die Früchte seiner Forschungen ernten und seinen Ruhm zeitweilig verblassen.
Nahezu jeder trägt es als Geldkarte mit sich und wenn wir mal müssen, sitzen wir drauf. Die Rede ist von (C2H3Cl)n, besser bekannt als Polyvinylchlorid, kurz PVC. Obwohl historisch der erste und damit älteste thermoplastische Kunststoff, ist PVC jung geblieben – wegen seiner Robustheit und Vielseitigkeit hat es nach wie vor Konjunktur. Im Jahr 2016 wurden weltweit über 42 Millionen Tonnen PVC verbraucht, das sind mehr als 16 Prozent der gesamten Kunststoff-Nachfrage. Das Konstanzer Marktforschungsinstitut Ceresana erwartet bis 2024 ein Wachstum des globalen PVC-Bedarfs von durchschnittlich 2,3 Prozent pro Jahr. Der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt ist die Region Asien-Pazifik. Die Bauindustrie und die Hersteller von Verpackungsmaterialien sind die größten Abnehmer; auch aus Automobilbau und Medizintechnik ist PVC kaum wegzudenken.
Den Beginn der großtechnischen Produktion und Vermarktung in Deutschland markiert das Jahr 1935. Damals verarbeitete die IG Farben, ein Konsortium aller namhaften reichsdeutschen Chemiewerke, den Thermoplast erstmals u. a. zu Rohren, Schläuchen, Platten und erzeugte neben dem Hart-PVC durch Zusatz von Weichmachern auch bereits die schmiegsame Variante für Folien, Beschichtungen etc. oder als Lederersatz (Handelsname: „Igelit“), mit dem z. B. Sitzplätze in Omnibussen bezogen wurden. Trotzdem musste die Industrie zunächst einmal kleine Brötchen backen: Am wichtigsten Produktionsstandort Bitterfeld belief sich der PVC-Ausstoß im Jahr 1938 auf monatlich 120 Tonnen. Und das, obwohl Polyvinylchlorid der nationalsozialistischen Regierung im Rahmen ihrer Autarkiepolitik gut ins Konzept passte, weil es sich aus Rohstoffen heimischer Provenienz, basierend auf Salz- und Braunkohlevorkommen, herstellen ließ. PVC wurde so von den Nazis kurzerhand zum „deutschen“ Kunststoff stilisiert. Dass es in den USA bereits seit 1928 hergestellt wurde, ließ die NS-Propaganda unter den Tisch fallen.
Lesen Sie weiter in unserem "Thema des Monats" über Fritz Klatte - ein Mann, der 20 Jahre zu früh lebte".