Stichtag 29.12.: Wiegenfest zweier Kautschuk- und Gummigrößen
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Apropos K
Stichtag 29.12.: Wiegenfest zweier Kautschuk- und Gummigrößen
Von Guido Deußing
Quelle: istock / Marcus Millo
Charles Macintosh wurde 1766 im schottischen Glasgow geboren, Charles Goodyear 1800 in der 3150 Kilometer entfernten Stadt New Haven im US-Bundesstaat Connecticut. Beide erblickten am 29. Dezember das Licht der Welt und beide verbindet untrennbar ein Stoff, ohne den Fortschritt und Mobilität buchstäblich unmöglich wäre: Kautschuk.
Charles Macintosh. Quelle: Archiv
Albert Einstein (1879-1955) hat einmal gesagt, „Gott würfelt nicht“. Was der Entdecker der Relativitätstheorie und Physik-Nobelpreisträger des Jahres 1921 damit meint, ist, dass Wissenschaft nichts mit Begriffen wie Glück oder Zufall gemein hat. Ob Einstein mit seiner Annahme richtig liegt? Nachfolgendes Beispiel mag ihn widerlegen – oder sie bestädigen, als Ausnahme von der Regel:
Ende des 17. Jahrhunderts experimentierte Charles Macintosh (1766-1843) mit einem Abfallprodukt der Steinkohlevergasung. Der im schottischen Glasgow geborene Chemiker wollte daraus Ammoniak extrahieren, das er für die Herstellung eines violett-roten Farbstoffs benötigte. Bei diesem Prozess fiel ein Nebenprodukt an, eine zähflüssige schwarze teerartige Substanz (Steinkohleteer), die sich überraschenderweise mit Wasser nicht mischen ließ. In Glasgow regnet es mehr als die Hälfte des Jahres. Was würde man nicht alles für regenfeste Kleidung geben. Ob das den Impuls gab? Jedenfalls beschichtete beziehungsweise imprägnierte Macintosh dünne Lagen aus Baumwolle mit dem Teerstoff und machte daraus gummiartiges, wasserundurchlässiges Gewebe. Allerdings klebte das Zeug wie der Teufel und stank wie die Hölle. Gegen den Geruch konnte Macintosh nicht viel ausrichten, wohl aber gegen die Klebrigkeit, und zwar indem er eine Textilbahn beschichtete und die Klebeschicht mit einer weiteren Textilbahn kaschierte. Mit dieser Sandwich-Technik gelang es ihm, ein wasserabweisendes, nicht mehr klebriges, gut handhabbares doppellagiges Material herzustellen, das er 1823 zum Patent anmeldete, und damit unter anderem die Basis zur Herstellung und dem erfolgreichen Vertrieb seine nach ihm benannten (jedoch Mackintosh geschrieben) Regenmantels legte.
Thomas Hancock. Quelle: Archiv
Der Industrielle und Begründer der britischen Kautschukindustrie Thomas Hancock (1786-1865), hatte eine Nase für das Potenzial der Erfindung und erwarb von Charles Macintosh eine Lizenz zur Herstellung doppellagiger wasserdichter Materialien. Hancock hatte herausgefunden, dass sich Kautschuk durch Walzen plastisch und formbar machen lässt und damit im industriellen Maßstab verwenden ließ. Allerdings fehlte zum wirtschaftlichen Durchbruch noch ein Verfahrensschritt, nämlich jener der Vulkanisation, den der amerikanische Chemiker und Erfinder Charles Goodyear (1800-1866) im Jahr 1839 entwickelte hatte.
Nach Vulcanus beziehungsweise Vulcan, dem römischen Gott des Feuers, benannt, ist die Vulkanisation ein Prozess des Aushärtens von Gummi unter Verwendung hoher Temperaturen unter Zugabe von Schwefel. Am Rande bemerkt: Die Idee, Gummi zu härten, reicht bis in prähistorische Zeiten zurück. Die Azteken etwa verarbeiteten Gummi, indem sie Latex mit Traubensaft mischten. Blicken wir einmal auf einige chemische Details. Gummi ist in natürlichem Zustand klebrig, verformt sich unter Wärme und zeigt sich im kalten Zustand spröde. Werden in die Polymermoleküle des Kautschuks jedoch Schwefelatome (S) als Brücken eingebaut, beeinflusst das das Eigenschaftsprofil von Gummi kolossal: Es wird viel härter, weniger klebrig, widerstandsfähiger und haltbarer.
Charles Goodyear. Quelle: Archiv
Infolgedessen hat vulkanisierter Kautschuk eine ganze Reihe nützlicher Anwendungen gefunden, nicht zuletzt beim Abdichten von Lücken zwischen beweglichen Teilen, und es spielt eine gewichtige Rolle bei der Entwicklung effizienterer Industriemaschinen. Die Fähigkeit vulkanisierten Gummis, Druckkräfte durch Verformung zu absorbieren und in der Entspannung wieder in seine ursprüngliche Form zurückzukehren, hat dieses Polymer zu einem idealen Material für Produkte wie Reifen, Schuhe oder Gummibänder und vieles mehr werden lassen, während seine wasserfesten Eigenschaften ihn perfekt macht zur Herstellung von Stiefeln, wasserundurchlässiger Bekleidung und Beschichtungen.
Apropos: Auf Basis seiner Erfindung, die Umwandlung von Naturkautschuk in Gummi, die er 1844 patentieren ließ (US-Patent-Nummer 3633), gründete Goodyear 1840 eine Firma, die noch existiert und unter dem Namen „Goodyear Tire & Rubber Company firmiert. Das Unternehmen zählt heute weltweit zu den weltweit führenden Reifenherstellern. Goodyear produzierte seinerzeit Gummischuhe und Zelte, die in der Goldgräberzeit gefragt waren, und auch das erste Kondom aus Gummi. Um 1852 präsentierte Goodyear das Hartgummi Ebonit, aus dem schon bald viele Alltags- und Gebrauchsgegenstände wie Kämme sowie Pumpen und ganze Maschinenteile hergestellt wurden, die man zuvor noch ausschließlich aus Holz, Horn oder Metall gefertigt hatte. Charles Goodyear hatte der Kautschuk- und Gummiindustrie das Fundament gegossen, starb dessen ungeachtet im Jahr 1860 bettelarm und hoch verschuldet.