Wenn es einen Kunststoff gibt, der die Emotionen zu befeuern weiß, dann ist es Polyvinylchlorid, besser bekannt unter dem Kürzel PVC. Dem deutschen Chemiker Fritz Klatte (1880-1934) kommt zwar nicht die Ehre des PVC-Entdeckers zu, wohl aber die aus wirtschaftlicher Sicht bedeutende Rolle dessen, der die Grundlagen für die industrielle Fertigung des heute drittwichtigsten Kunststoffs der Welt gelegt hat.
Bei PVC handelt es sich um ein thermoplastisches Polymer, das im Zuge einer Kettenpolymerisation aus dem Monomer Vinylchlorid hergestellt wird. Aus PVC wurden nicht nur Bodenbeläge oder Kabelummantelungen produziert; ab 1948 ersetzte PVC auch Schellack in der Herstellung von Schallplatten. Nach 1945 Jahren war PVC der meistproduzierte Kunststoff der Welt. Und noch heute ist PVC nach Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) das drittwichtigste Polymermaterial überhaupt.
Die Entdeckung des PVCs lässt sich zurückdatieren auf das Jahr 1835 und, was vielfach übersehen wird, dem französischen Chemiker Henri Victor Regnault zuschreiben. Regnault war seinerzeit im Gießener Labor Justus Liebig tätig. Liebig, das sei nur am Rande bemerkt, hatte durch seine Forschung den Boden der Mineraldüngung bereitet, außerdem fällt sein Name im Zusammenhang mit der Entdeckung des Narkosemittels Chloroform. Die Chlorchemie war, auf den Punkt gebracht, ein wichtiges Betätigungsfeld für das Liebig-Labor in Gießen, also auch für Henri Victor Regnault. Ihm gelang es 1835, Polyvinylchlorid herzustellen, indem Vinylchlorid dem Sonnenlicht aussetze. Allerdings erkannte niemand die Bedeutung dieser Entdeckung.
Mit PVC beschäftigte sich auch Fritz Klatte 1912 im Rahmen seiner Arbeit für die in Griesheim am Main angesiedelte Chemische Fabrik Griesheim-Elektron (ging später im Hoechst-Konzern auf). Der gebürtig (28. März 1880) aus Diepholz stammende Klatte, ein gelernter Apotheker, hatte Pharmazie und Chemie studiert und an Universität in Tübingen 1907 promoviert. 1908 nahm er als Chemiker bei Griesheim-Elektron die Arbeit im Bereich der Polymerchemie auf. In einem den Versuchen Regnaults vergleichbaren Experiment stellte Klatte 1912 aus Acetylen und Salzsäure Vinylchlorid her, und im weiteren Verlauf daraus PVC. Allerdings bargen seine Experimente nicht die Chance, PVC in einem technischen Prozess zu produzieren. Den fanden Klatte und seine Kollegen Emil Zacharias und Adolf Rollett ein Jahr später im Jahr 1913. Das deutsche Patent hat die Nummer GP 281687.
In Ermangelung hinreichender Ideen für marktreife Produkte gab Griesheim 1926 die Patente auf, und bereitet so den Weg für andere Unternehmen, PVC weiterzuentwickeln, was die IG-Farben, zu denen BASF und Griesheim gehörten, 1935 erfolgreich machten. Davon nahm Klatte jedoch keine Kenntnis mehr. Er starb im Jahr zuvor, und zwar am 11. Februar 1934 in einem Sanatorium in Klagenfurt an den Folgen einer Tuberkulose-Erkrankung, die er sich 1917 zugezogen hatte. Klatte wurde 53 Jahre alt.
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