Digital trifft Material: Eine Software transformiert die Additive Fertigung

ADAM könnte die Spielregeln in der Kunststofffertigung neu definieren. Ein großer Anspruch, aber nicht ohne Grund: Hinter dem Akronym ADAM verbirgt sich eine Software namens „Advanced Dimension Additive Manufacturing“, die auf der K 2022 nicht nur Neugier, sondern echtes Aufsehen erregte. Das beeindruckende Ergebnis dieser Software in Aktion? Ein leistungsstarker Schneckenextruder, gesteuert von einem agilen Gelenkarmroboter.

Im Interview mit dem K-MAG taucht Lukas Pelzer, einer der Köpfe hinter der Technologie, tiefer in die Welt von ADAM ein. Er erklärt, wie diese Software die Produktion von Kunststoffteilen revolutioniert und warum sie ein Meilenstein für nachhaltige und innovative Fertigungsmethoden sein könnte. Ein Blick in die zukünftige Landschaft der Kunststoffindustrie, die ADAM maßgeblich prägen könnte.

Was ist ADAM? Wie kann man sich konkret die Produktionsweise von ADAM vorstellen?

Lukas Pelzer: ADAM ist eine Softwarelösung zur optimalen Berechnung der Bahnen für die materialextrudierende Additive Fertigung. Statt der herkömmlichen Schichtbauweise ermöglicht ADAM eine dreidimensionale, nicht-planare Ablage einzelner Stränge und Schichten, die den Konturen des Bauteils exakt folgt. Dies führt zu hochwertigeren Oberflächen ohne sichtbare Stufen.

ADAM adressiert zudem die Herausforderung anisotroper Bauteileigenschaften: Durch gezielte Strangausrichtung entlang von Lastpfaden können Festigkeit und Steifigkeit erhöht und bei Bedarf isotrope Bauteile erstellt werden, besonders bei der Nutzung fasergefüllter Kunststoffe. Das Verfahren erlaubt auch die Anpassung bestehender Teile, indem es direkt auf deren Oberflächen druckt, wodurch die Vorteile der Massenfertigung mit der Freiheit der Additiven Fertigung kombiniert werden. Und das Beste: ADAM ist für eine breite Palette von Maschinen geeignet, vom einfachen 3D-Drucker bis zur Industrieanlage.

Welche Arten von Kunststoff können mit ADAM verarbeitet werden?

Pelzer: Die ADAM-Software ist nicht auf einen bestimmten Kunststofftyp beschränkt. Sie wurde entwickelt, um die Additive Fertigung durch Schneckenextrusion zu unterstützen – ein Verfahren, das am Institut für Kunststoffverarbeitung der RWTH Aachen seit 2015 untersucht wird. Mit unseren speziell entwickelten Schneckenextrudern können wir eine Vielzahl von thermoplastischen Kunststoffen in Granulatform verarbeiten. Dazu gehören übliche Werkstoffe wie Polylactid (PLA) und Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS), aber auch Polyamid (PA), Polypropylen (PP) und Thermoplastische Elastomere (TPE) mit geringer Shore-Härte. Selbst Polymere mit hohen Füllstoffmengen, wie 30 Gew.-% Kohlenstoff oder 50 Gew.-% Langglasfasern, sind verarbeitbar. Unsere neueste Schneckenextruder-Version, unter 10 kg schwer und mit einem Austrag von bis zu 4 kg/h, ist besonders für Gelenkarmroboter geeignet. Diese bieten aufgrund ihrer Rotationsachsen zusätzliche Freiheitsgrade, die durch das ADAM-Verfahren optimal genutzt werden.

Lange wurde die Technologie nur für die Erstellung von Prototypen genutzt: Welche Schritte mussten Sie gehen, damit jetzt auch Endbauteile produziert werden können?

Pelzer: Für die erfolgreiche Fertigung von Endbauteilen sind drei Aspekte entscheidend:

1. Optimale Oberflächenqualität mit minimaler Nachbearbeitung
2. Gute mechanische Bauteileigenschaften wie Festigkeit und Steifigkeit
3. Kurze Fertigungszeiten

Die Verbindung eines Gelenkarmroboters mit einem speziell für die Additive Fertigung konzipierten Schneckenextruder ermöglicht deutlich schnellere Fertigungsprozesse als bei filamentbasierten Systemen. Durch die Erstellung einer bauteilgerechten Ablagestrategie mittels ADAM-Verfahren kann die geforderte hohe Oberflächenqualität erzielt werden. Gleichzeitig werden so Festigkeit und Steifigkeit auf den auftretenden Lastfall abgestimmt.

Welche Vorteile bietet 3D-Druck wie bei ADAM im Gegensatz zur herkömmlichen Fertigung von Kunststoff-Bauteilen?

Pelzer: Grundsätzlich ist es immer wichtig, das passende Fertigungsverfahren für den vorliegenden Anwendungsfall zu wählen. Additive Fertigung bzw. 3D-Druck bietet sich aufgrund der rapiden Entwicklung der Technologie immer häufiger an und wird bereits erfolgreich für kleine bis mittelgroße Produktionsserien genutzt. Vorteile der Technologie sind unter anderem:

• Flexibilität: 3D-Druck erlaubt die Herstellung von nahezu jeder Geometrie, auch komplexe Innenstrukturen, ohne spezielle Rüstvorgänge.
• Agilität: Unternehmen können rasch auf Marktveränderungen reagieren, da additive Verfahren keine bauteilspezifischen Werkzeuge erfordern. Produktanpassungen oder -revisionen sind direkt und ohne zusätzliche Kosten umsetzbar.
• Effizienz: Der 3D-Druck minimiert Produktionsabfälle, da Material nur dort abgelegt wird, wo es erforderlich ist. Die Möglichkeit, komplexe Teile in einem Schritt herzustellen, und die Eignung für dezentrale Fertigung reduzieren Lagerbedarf und Transportaufwand, was zu Zeit- und Emissionseinsparungen führt.

Wie sehen Sie die Zukunft von ADAM: Wie werden Betriebe die Technologie Ihrer Einschätzung nach nutzen?

Pelzer: Die Zukunft von ADAM liegt in der weiteren Erschließung des Potenzials Additiver Fertigung. Wir sind davon überzeugt, dass Software wie ADAM das volle Leistungsvermögen sowohl kleiner Desktopanlagen als auch industrieller Robotersysteme entfaltet. Daher starten wir das Spin-off des Instituts "Layer Performance", das sich auf die Softwareentwicklung für Bahnplanung und Ansteuerung additiver Fertigungsanlagen spezialisiert. Aktuelle Anfragen reichen von der Prototypenfertigung bis hin zur Serienproduktion.

Sie waren mit ADAM auch auf der K 2022 – Was konnten Besucherinnen und Besucher bei Ihnen sehen?

Pelzer: Während der K 2022 haben wir unsere neueste Fertigungszelle präsentiert. Sie kombiniert unseren fortschrittlichen Schneckenextruder mit einem Gelenkarmroboter von Stäubli und einer beheizbaren Bauplattform. Das Highlight war ein mittels ADAM-Verfahren gefertigter Hocker aus holzfasergefülltem Biopolymer, den die Besucherinnen und Besucher vor Ort testen konnten. Dieser zeichnete sich durch lastgerechte Auslegung, materialeffiziente und schnelle Produktion (2 Stunden) und Nachhaltigkeit (vollständig biologisch abbaubar) aus.

Welches Feedback haben Sie auf der Messe bekommen?

Pelzer: Das Feedback während und nach der Messe war durchweg positiv. Die ADAM-Technologie und ihre Vorteile, insbesondere die Ausnutzung der räumlichen Freiheitsgrade, stießen bei den Standgästen auf besonderes Interesse und eröffneten viele tiefgründige Diskussionen. Persönlich finde ich es immer besonders spannend, von den speziellen Anwendungsfällen der Besucherinnen und Besucher zu erfahren. Häufig entstehen in solchen Gesprächen neue Einsatzgebiete für die gezeigten Technologien, die über die während der Entwicklung angedachten Anwendungsfälle hinausgehen.