Der Entwicklungsbedarf in diesem Bereich ist also groß. Expertinnen und Experten vom Fraunhofer IAP gehen diese Hürden gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie im vom BMBF geförderten Projekt "Regionales unternehmerisches Bündnis zum Aufbau von Wertschöpfungsketten für technische Biokunststoffe in Mitteldeutschland", kurz RUBIO, an. Diplom-Ingenieur Thomas Büsse, der bei RUBIO das Verbundprojekt "Verarbeitung" koordiniert und das Verarbeitungstechnikum Biopolymere Schwarzheide in Brandenburg des Fraunhofer IAP leitet, erklärt: "Je nach Anwendung beziehungsweise Verarbeitungsverfahren muss der eingesetzte Kunststoff hart oder weich, vielleicht auch zähfließend oder dünnflüssig sein. Bisher gibt es auf dem Markt aber nur drei PBS-Typen, und diese eignen sich lediglich für eine eingeschränkte Zahl an Verarbeitungsverfahren und Anwendungen." Daher entwickelt das Team der Abteilung "Polymersynthese" von Dr. Antje Lieske am Fraunhofer IAP in Potsdam, Brandenburg, ganz neue Typen von PBS, die mit einer deutlich breiteren Palette an Verfahren verarbeitet werden können – vom Blasformen bis zum Spritzgießen. Somit vergrößert das Forschungsteam auch das Portfolio an möglichen Anwendungen.
Das Know-how der Polymerspezialistinnen und -spezialisten am Fraunhofer IAP geht dabei deutlich über die reine Entwicklung von Syntheseverfahren für neue Biokunststofftypen hinaus. Im Synthesetechnikum des Fraunhofer-Pilotanlagenzentrums für Polymersynthese und -verarbeitung PAZ in Schkopau, Sachsen-Anhalt, überführt das Team um Dr. Ulrich Wendler, Leiter der Abteilung "Synthese und Produktentwicklung" am Fraunhofer IAP, die Ergebnisse aus Labor und Technikum in den industrienahen Pilotmaßstab. Die Frage, wie die neu entwickelten Kunststofftypen und -mischungen thermoplastisch verarbeitet werden können, wird im Verarbeitungstechnikum intensiv untersucht. Hier werden auch die Tests zur Bioabbaubarkeit, Bedruckbarkeit, Siegelfähigkeit oder Maschinengängigkeit durchgeführt – Kriterien, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Wunsch der Kundinnen und Kunden individuell einstellen können. Auch die Recyclingfähigkeit wird im RUBIO-Konsortium getestet.
Einen ersten Erfolg kann das Fraunhofer IAP im Rahmen des RUBIO-Projekts gemeinsam mit der Firma POLIFILM EXTRUSION GmbH verzeichnen. Das deutsche Unternehmen produziert am Standort Weißandt-Gölzau in Sachsen-Anhalt auf über 80 Extrusionsanlagen Kunststofffolien für unterschiedliche Anwendungen in der Verpackung-, der Bau-, Agrar- und Automobilbranche und anderen Bereichen. Die Partner haben eine PBS-Folie entwickelt, die für Versandtaschen eingesetzt werden kann. "Diese Kooperation ist ein wichtiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und ermöglicht uns, Produkte anzubieten, die aus regionalen Reststoffen hergestellt wurden, die recyclingfähig und bei Verlust in die Umwelt biologisch abbaubar sind. Ein weiterer Vorteil ist die Verarbeitung auf gängigen Extrusionsanlagen, wodurch dem Siegesweg der PBS-Materialien nichts mehr entgegen steht", erklärt Tobias Otto, Projektmanager R&D bei der POLIFILM EXTRUSION GmbH.