Herr Schiller, welche Herausforderungen sehen Sie aktuell in der Kunststoffindustrie, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von recycelten Kunststoffen gegenüber Neuware?
Christian Schiller: Das Kernproblem bleibt unverändert der Preisunterschied. Künstlich günstig gehaltene Neuware steht höherpreisigen Rezyklaten gegenüber. Dazu führen neben dem verhältnismäßig günstigen Erdöl und Subventionsvorteilen auch ein technologischer wie organisatorischer Vorsprung der Neuwarenproduktion gegenüber der Rezyklatware. Letzteres ist auch auf die Komplexität der Recyclingmärkte zurückzuführen: Die umfassende Erfassung, Rückverfolgung und saubere Trennung der Kunststoffabfallströme ist jenseits des PET-Stroms nicht gegeben, was zu volatilen Qualitäten und Materialverfügbarkeiten führt. Kaum ein Investor dieser Welt hat sich daher in der Vergangenheit wirklich ernsthaft mit dem Rezyklatmarkt beschäftigt, wo Verluste vorprogrammiert waren, sobald der Neuwarenpreis in den Keller rutschte.
Zusammenfassend lassen sich die derzeitigen Herausforderungen des Recyclingmarktes also auf vier Ursachen zurückführen: zu teuer, zu geringe Qualität, zu wenig Transparenz und zu wenig Angebot.
Sie haben es gerade schon erwähnt: Die Qualität von Rezyklaten wird oft als unzureichend wahrgenommen. Wie geht Cirplus damit um?
Schiller: Einen wesentlichen Hebel zur Qualitätssicherung sehen wir in der Standardisierung, die eine einheitliche Sprache entlang der Wertschöpfungskette sicherstellt. Aus diesem Grund haben wir die DIN SPEC 91446 initiiert und finanziert, den weltweit ersten Standard für hochwertiges Kunststoffrecycling und Digitalisierung. Sie gibt klare Richtlinien für die Klassifizierung und Beschreibung von Abfällen und Rezyklaten polymerübergreifend vor und vereinfacht somit den Handel mit recycelten Kunststoffen. Nach der Standardisierung ist vor der Qualitätssicherung. Deshalb gehen wir nun auch konsequent den nächsten Schritt und bieten über Cirplus Kunststoffverarbeitern und Produktherstellern seit Oktober 2023 integrierte und zunehmend digitalisierte Qualitätsprüfungen und Zertifizierungen für Rezyklate an, in Kooperation mit anerkannten Prüflaboren wie UL, SKZ, Fraunhofer und dem Kunststoffinstitut Lüdenscheid. Damit ermöglichen wir belastbare Lieferketten, insbesondere in Märkten, in denen Rezyklate bisher kaum oder gar nicht eingesetzt wurden.
Kurzum, unsere Devise lautet: Masse und Qualität garantieren.