Von Kunststoffabfällen zu nachhaltigem Wachstum: Impulse für die Kreislaufwirtschaft in Kenia

Die Abfallwirtschaft, insbesondere die Entsorgung von Kunststoffabfällen, kann in Ländern des Globalen Südens eine große Herausforderung darstellen. Ecopost, ein Sozialunternehmen mit Sitz in Kenia, hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Herausforderung zu meistern. In Partnerschaft mit Borealis nutzt Ecopost ein innovatives Geschäftsmodell, um Kunststoffabfälle zu sammeln und zu recyceln, Arbeitsplätze zu schaffen und zu einer Kreislaufwirtschaft beizutragen.

In diesem Interview mit dem K-MAG erklären Lorna Rutto, Gründerin von Ecopost, und Markus Horcher, Director Sustainability & Public Affairs bei Borealis, wie sie zusammenarbeiten, um das Abfallrecycling in Kenia zu verbessern, wie der Abfall recycelt und in neue Produkte umgewandelt wird und welche positiven Veränderungen die Initiative bereits bewirkt hat.

Können Sie uns mehr über die Partnerschaft zwischen Borealis und Ecopost erzählen? Wie soll das Thema Kunststoffabfall in Kenia angegangen werden?

Lorna Rutto: Kenia steht vor enormen Herausforderungen in Bezug auf mangelnde Abfallentsorgung, chronische Jugendarbeitslosigkeit und Abholzung der Wälder. Ecopost hat ein Geschäftsmodell entwickelt, das all diese Herausforderungen angeht, indem es eine Kreislaufwirtschaft durch das Sammeln und Recyceln von Kunststoffabfällen mit einem reproduzierbaren und skalierbaren Modell vorantreibt und gleichzeitig Arbeitsplätze für Betreiber, Kunststoffabfallsammlerinnen und -sammler sowie Kunststoffhändlerinnen und -händler schafft.

Markus Horcher: Borealis und Ecopost haben eine gemeinsame Vision: die Eindämmung der Abfallverlagerung in die Umwelt und die Förderung der Kreislaufwirtschaft mit positiven sozioökonomischen und ökologischen Auswirkungen. Als Ergebnis dieser gemeinsamen Vision haben die beiden Unternehmen eine Partnerschaft beschlossen. Über den Borealis Social Fund unterstützt Borealis die Aktivitäten von Ecopost, um das Abfallrecycling in Kenia zu fördern und eine Kreislaufwirtschaft im Einklang mit den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung zu unterstützen.

Borealis unterstützt insbesondere den Aufbau von Kapazitäten, die Schulung und die Einstellung von mehr Abfallsammlerinnen und -sammlern sowie die Professionalisierung ihrer Arbeit durch die Finanzierung von Unternehmensgründungspaketen für Jugend- und Frauengruppen.

Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Rutto: Ich habe meine Vision von einem Afrika ohne Armut und die Erfolgsgeschichte von Ecopost auf dem 6. AUSTRIAN WORLD SUMMIT vorgestellt, der von der Arnold Schwarzenegger Climate Initiative organisiert wurde. Der Gipfel hat eine spezielle Matchmaking-Session, um interessierte Parteien zusammenzubringen. Das war eine fantastische Gelegenheit, mit Interessengruppen in Kontakt zu treten, zu denen wir normalerweise keinen Zugang haben.

Horcher: Ich habe ebenfalls an dieser Konferenz teilgenommen, um neue Projekte für unseren Borealis Social Fund zu identifizieren. Der Ansatz von Ecopost und die Vision von Lorna haben mich fasziniert, zumal Borealis Mitbegründer von Project STOP ist, bei dem wir eine Infrastruktur für die Abfallwirtschaft in Indonesien entwickeln und umsetzen. Nach der Konferenz setzte ich mich mit Lorna in Verbindung und wir erarbeiteten gemeinsam, wie Borealis Ecopost am besten unterstützen kann, um die Kreislaufwirtschaft in Kenia weiter voranzutreiben.

Wie wird der Müll recycelt und welche neuen Dinge werden daraus hergestellt?

Rutto: Ecopost verarbeitet Post-Consumer-Abfälle zu umweltfreundlichem Kunststoffholz, WPC ("Wood Plastic Composite") und Pellets. Das Kunststoffholz und der WPC werden für Produkte für die Bau-, Konstruktions- und Transportbranche verwendet, z. B. für Zäune, Straßenbeschilderungen und Außenanwendungen wie Pflanzkästen, Außenleuchten oder Bänke. Die Pellets werden an die Lieferkette von Kunststoffherstellern verkauft, die sie für andere Kunststoffartikel wie Mülltonnen, Eimer und Müllsäcke verwenden. Somit wird der Wirtschaftskreislauf geschlossen.

Wie haben sich die Umstände dank der Initiative bereits verändert?

Rutto: Das Geschäftsmodell von Ecopost besteht in der Zusammenarbeit mit Jugend- und Frauengruppen aus marginalisierten Gebieten, die Abfälle sammeln, sortieren und für die Produktion aufbereiten. Die meisten von ihnen sind Frauen aus der unteren Einkommensschicht der Gesellschaft, die keine alternativen Erwerbsmöglichkeiten haben. Sie sind die wichtigsten Personen in der Wertschöpfungskette des Abfallrecyclings. Sie werden jedoch in der Regel von Agenten und Zwischenhändlern ausgebeutet, die sie nicht angemessen für den gesammelten Abfall entschädigen. Dadurch werden die ohnehin schon benachteiligten Abfallsammlerinnen noch verzweifelter, verarmen und kommen kaum noch über die Runden.

Der Beitrag von Borealis hat Ecopost in seinen Bemühungen, die Müllsammlerinnen und -sammler besser zu entlohnen, gefährdete Jugendliche und Frauen zu stärken und die Armut zu bekämpfen, um mehrere Jahre nach vorne katapultiert, als dies sonst der Fall gewesen wäre.

Horcher: Der Borealis Social Fund hat es der Initiative ermöglicht, ein einzigartiges Programm zur Einbindung der Bevölkerung zu entwickeln. Jugend- und Frauengruppen werden geschult und mit einem "Buy-as-you-use"-Startpaket ausgestattet, das ein Smartphone, eine Waage, einen Schredder, einen Agglomerator oder eine Ballenpresse umfasst. Diese Maschinen werden vor Ort hergestellt. Sie erhöhen den Wert des gesammelten Abfalls und steigern so die Einnahmen der Abfallsammlerinnen und -sammler, während sie gleichzeitig gewährleisten, dass Ecopost und andere Abfallproduzenten genügend Ausgangsmaterial erhalten.

Rutto: Bislang profitieren dank der Unterstützung von Borealis bereits 20 Gruppen mit durchschnittlich 20 Mitgliedern von dem Projekt. Die Initiative bildet 400 Jugendliche und Frauen aus, die voraussichtlich bis Ende August 2023 ihren Abschluss machen werden. Die Initiative ist auf Nachhaltigkeit bedacht und hat Leitlinien und Vorbereitungen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer festgelegt, um sicherzustellen, dass sie ihr volles Potenzial entfalten können.

Können Sie uns etwas über zukünftige Pläne oder Projekte erzählen, an denen Borealis und Ecopost arbeiten, um die Kreislaufwirtschaft in Kenia (oder anderen Ländern) weiter zu fördern?

Horcher: Borealis hat es sich zum Ziel gesetzt, von einer linearen zu einer Kreislaufwirtschaft überzugehen. Bis 2030 strebt Borealis eine Produktionskapazität für Kreislaufprodukte von 1,8 Millionen Tonnen an, ausgehend von einer derzeitigen Kapazität von 150.000 Tonnen. Borealis wird auch Project STOP in Indonesien weiter vorantreiben, das 2017 von Borealis und SYSTEMIQ initiiert wurde. Nach der erfolgreichen Umsetzung in drei Städten hat Project STOP mit der Ausweitung auf den gesamten Bezirk Banyuwangi begonnen, um 2 Millionen Menschen mit Abfallsammeldiensten zu versorgen und so die Ausbringung von jährlich 25.000 Tonnen Kunststoffabfall in die Umwelt zu vermeiden.

Rutto: In den nächsten 5 Jahren will die gemeinsame Initiative von Ecopost und Borealis verhindern, dass rund 63.600 Tonnen Kunststoffabfälle in die Umwelt gelangen. Die Initiative strebt an, bis 2030 über 500.000 Tonnen Kunststoffmüll pro Jahr zu recyceln. Durch das Recycling von Kunststoffabfällen zur Herstellung von Kunststoff- und WPC-Holz bietet die Initiative ein geeignetes Alternativmaterial zu Holz und spart so Bäume. Jede Tonne Kunststoffholz spart 1,1 Tonnen Bäume. Die Partnerschaft wird daher bis 2030 mehr als 10.000 Hektar Wald retten.

Die Initiative plant, in den nächsten fünf Jahren weitere 150 Sammelstellen für Kunststoffabfälle in 30 Bezirken Kenias in das Programm zur Einbindung der Gemeinden aufzunehmen. Ein einziges Sammelzentrum kann Kunststoffabfälle von etwa 1.000 Abfallsammlerinnen und -sammlern aufnehmen. Das Projekt wird daher die Einkommenssicherheit von über 150.000 von ihnen verbessern.

Die Menschen in Kenia werden von den positiven sozioökonomischen und ökologischen Auswirkungen profitieren, z. B. von saubereren und gesünderen Städten, weniger Abholzung und mehr Einkommensmöglichkeiten. Dies wird die Armut eindämmen und die Initiative von Ecopost und Borealis ihrem gemeinsamen Ziel näherbringen: eine Zukunft ohne Kunststoffabfall sowie eine Kreislaufwirtschaft zu erreichen.