Zurück in den Kreislauf: #tide macht aus Meeresplastik hochwertige Rezyklate

Kunststoff ist eine Ressource, ohne die unser heutiges Leben nicht möglich wäre – und dank Recycling können wir sie sogar mehrfach nutzen. Was allerdings passieren kann, wenn der Recyclingprozess nicht rund läuft, kennen wir aus Reportagen: Der Kunststoff landet mitunter im Meer. Ihn von dort aus wieder in einen Kreislauf zu führen und ihn zu einem verwertbaren Produkt zu verarbeiten, ist nicht ganz einfach.

#tide hat es geschafft: Das Unternehmen hat einige technische sowie organisatorische Hürden überwunden und macht heute aus "Müll aus dem Meer" hochwertige Rohmaterialien, die herkömmlichen Primärmaterialien in nichts nachstehen.

Herr Krebs, wie entstehen aus Ocean-bound Plastics hochwertige Kunststoffrezyklate?

Marc Krebs: In einem mehrstufigen Verfahren: Zunächst muss das Material gesammelt und angeliefert werden. Wir arbeiten mit lokalen Communities zusammen, mit Fischern und Küsten- und Inselbewohnern. Das Material wird gewogen, erfasst, getrackt und zu einem fairen Preis bezahlt. Es ist unsere oberste Priorität, Abfall von Beginn einen Wert zu geben – so geben wir in den betroffenen Regionen einen Anreiz, den Plastikmüll zu sammeln. Dieser wird dann in unseren Warehouses, meist Sozialunternehmen, manuell getrennt. So schaffen wir einen weiteren Mehrwert und Arbeitsplätze. Dann werden die Kunststoffabfälle – wir verarbeiten größtenteils PET, PP und PE – in entsprechend ausgerüsteten Anlagen auf ihre Sortenreinheit überprüft, gewaschen, geschreddert und zu Granulat verarbeitet. Wir stellen Kunststoffe für den Spritzguss her, aber auch Polyester-Garne für Textilien oder Filamente für den 3D-Druck.

Welche Herausforderungen mussten Sie bei der Entwicklung überwinden?

Krebs: Technologisch galt es, die richtige Herangehensweise zu definieren. Wir haben dafür mit dem Schweizer Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung (IWK, Rapperswil) zusammengearbeitet, in Studien die Beschaffenheit der Materialien analysiert und die Methodik für das effektivste Recycling bestimmt. Wir rezyklieren mechanisch und bieten nun ein sauberes, hochwertiges Rohmaterial an, das dann dank dem Wissen unserer technologischen Abteilung weiter verarbeitet und veredelt werden kann und der Qualität von Virgin Plastic in nichts nachsteht.

Eine weitere Herausforderung war, unser Wissen in die betroffenen Länder in Südostasien zu exportieren und die Supply Chain aufzubauen. Oft fehlt es gänzlich an einem Waste Management System. Wir mussten daher die richtigen Partner suchen, um die Kontrolle vom Sourcing bis zum Compounding und damit auch unsere hohen Qualitätsansprüche sicherzustellen. Wichtig war uns auch von Beginn an Transparenz und Glaubwürdigkeit, um uns von schwarzen Schafen im Recycling-Geschäft klar abzuheben. So haben wir, behaupte ich, nun eine marktführende Stellung erreicht, unter anderem mit der Entwicklung eines Material Passports: Wir lassen den Weg unseres Materials tracken und auf einer Blockchain festhalten. Auch erfüllen wir höchste ethische und umweltfreundliche Standards. All das führt zu unserem Ziel, nicht nur ein qualitativ hochstehendes Rohmaterial anzubieten, sondern mit #tide einen neuen Standard zu liefern: Das weltweit wichtigste Label für ocean-bound plastic zu sein.

Welche Vorteile hat es, Meereskunststoff zu verwenden?

Krebs: Nur Vorteile. Die Bedrohung der Meere ist eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit. Plastikmüll bedroht Fauna und Flora, unsere Nahrungsketten, unser Klima. Der blaue Planet droht darin zu ersticken und wir mit ihm. Indem wir ocean-bound plastic sammeln und in den Kreislauf zurückführen, stellen wir diesem Problem eine Lösung entgegen. Diese ist nicht nur ökologisch – unser Material ist gemäß mc meinem externen Gutachten 5x umweltfreundlicher als Virgin PET –, sondern auch nachhaltig im wirtschaftlichen Sinn: Wir kreieren einen Social Impact, schaffen Jobs und Abfallbewirtschaftungssysteme, bauen Infrastruktur und geben unser Wissen in Workshops weiter.

Für welche Endprodukte können die Rezyklate verwendet werden?

Krebs: Die ersten Aufträge erhielten wir aus der Uhrenindustrie, von Marken aus der Schweiz, Skandinavien und den USA, sowohl für Uhrengehäuse als auch für Polyesterbänder. Damit konnten wir unsere Qualitätsansprüche erfolgreich auf höchstpräzisen Instrumenten anwenden. Mittlerweile sind Produkte aus vielen anderen Branchen lanciert worden: elektronische Geräte, Textilien und Stoffe, Verpackungen, ja sogar Adult Toys gibt es aus unserem Material. Mittlerweile erhalten wir auch Anfragen für Automobile und Fahrzeugzubehöre, für Möbel oder für Produkte der Bauindustrie. Es gibt im Grunde keine Grenzen.

Wie wollen Sie Ihr Unternehmen und Ihre Produkte zukünftig weiterentwickeln?

Krebs: Wir wollen der weltweit vertrauenswürdigste Lieferant für nachhaltige Kunststoffprodukte aus Meeresplastik werden. Zu diesem Zweck expandieren wir aktuell, erschließen etwa den amerikanischen Kontinent, vom Sourcing bis zur Compoundierung. Wir wollen #tide ocean material bis 2025 auf jedem Kontinent lückenlos anbieten, mit einem breiten Distributionsnetz und möglichst kurzen Transportwegen. Mittelfristig möchten wir unsere Lösung auch lizenzieren. Unser Traum wäre es, dass nur noch Rezyklate für neue Produkte verwendet werden, wodurch die Umwelt geschont, fossile Rohstoffe gespart und ein grosser Mehrwert geschaffen wird. 


Wie wird die Arbeit von #tide vor Ort umgesetzt? Machen Sie sich hier ein Bild: