Welche Arten von Textilfasern lassen sich mit dem CroMat verarbeiten?
Storck: Auf dem aktuellen Stand des CroMat-Prototyps treten Probleme bei zu hoher Garn-an-Garn-Reibung auf, was die Bandbreite der geeigneten Garne etwas einschränkt. Da eine gehäkelte Masche aus mehreren Schlaufen (beispielsweise drei bei halben Stäbchen) besteht, kommt es unweigerlich zu vielen Kontaktpunkten des Garns mit den Nadeln und mit sich selbst. Um ein resultierendes Aufbauen hoher Kräfte, die das Häkeln einschränken, zu verhindern, ist ein dynamische Anpassung der Fadenspannung während der Maschenbildung notwendig. Weil dies bei dem aktuellen Stand noch nicht final implementiert ist, sind wir momentan gezwungen Garne mit relativ geringen Reibwerten zu verwenden. Nähgarne eignen sich hier sehr gut. Ob Natur- oder Kunstfaser, ist dabei egal.
Eine Einschränkung, die auch mit einer dynamisch anpassbaren Fadenspannung nicht umgangen werden kann, ist die Biegesteifigkeit des Garns. Aufgrund der engen Biegeradien des Garns beim Häkeln eignen sich steife Materialien wie Metall- oder Glasfasern weniger.
Generell unterliegt das Garn bezüglich der simplen Kettmaschen, aus denen im Gegensatz zum manuellen Häkeln mit der Maschine ganze Textilien gefertigt werden können, weniger Einschränkungen. Denn hier gibt es weniger Verschlingungen und die Biegeradien sind größer als bei den komplexeren, momentan herstellbaren Maschenarten (feste Maschen und halbe Stäbchen).
Der CroMat soll auch bei dreidimensionalen Textilien zum Einsatz kommen, Sie sprechen von der Herstellung von endkonturnahen Faserverbundstoffen. Wo und wie könnte der CroMat hier zum Einsatz kommen?
Storck: Der große Vorteil des manuellen Häkelns liegt in der Möglichkeit an jeder beliebigen Stelle des bereits produzierten Textils einstechen zu können. Denn damit lassen sich komplexe 3D-Strukturen häkeln. Der CroMat ist hier etwas eingeschränkter, weil generell nur reproduzierbar neue Maschen an Maschen beziehungsweise Stellen, die an Nadeln aufgehängt sind, gebildet werden können. So muss die gewünschte Stelle erst manuell auf einem Nadelpaar aufgehängt werden, bevor dort die Häkelnadel einstechen kann. Mit einem entsprechenden manuellen Umhängen des Textils in der Maschine während der Fertigung können 3D-Sturkturen wie etwa Doppel-T-Träger – als auch komplexere Formen – automatisiert gehäkelt werden.
Durch die maschinelle Fertigung können gehäkelte Textilien erstmals als technische Textilien eingesetzt werden. Aufgrund der Möglichkeiten des maschinellen Häkelns bezüglich komplexer Formen stellen endkonturnahe Faserverbundwerkstoffe eine vielversprechende Anwendung dar. Bei diesen wird das als Verstärkung genutzte Textil bereits in der (komplexen) Form des späteren Bauteils gefertigt.
Das genaue Potenzial der jungen Technologie lässt sich noch nicht final abschätzen. Hierzu ist deutlich mehr Forschung notwendig. Was wir schon sagen können, ist, dass sich Aramid mit der Häkelmaschine verarbeiten lässt und dass allgemein die Eigenschaften gehäkelter Textilen – und einfacher Composites aus diesen – mit gestickten vergleichbar sind.
In diesem Zusammenhang kann der CroMat konkret zum Einsatz kommen, um einerseits als Grundlage für Weiterentwicklungen von Häkelmaschinen zu dienen. Andererseits können mit diesem Proben hergestellt werden, um die Eigenschaften maschinell gehäkelter Textilien weiter zu erforschen.