Herr Sattel, inwieweit trifft das Motto der K 2025 - The Power of Plastics - Green - Smart – Responsible – den richtigen Ton?
Anatol Sattel: Es ist sicher richtig, Selbstbewusstsein zu demonstrieren. Es ist ja schlicht so, dass mindestens 75 Prozent aller Kunststoffprodukte auch in Zukunft alternativlos sein werden. Das Motto kann auch eingesetzt werden, um unsere Branche für den dringend nötigen Nachwuchs in ein besseres Licht zu setzen. Denn das negative Image, das der Kunststoff vielfach hat, erschwert das Rekrutieren erheblich. Allerdings reicht es heute für ein Unternehmen nicht mehr aus, sich zum Umwelt- und Klimaschutz nur zu bekennen. Das erzeugt bei den Menschen eher Verdruss, weil es als Phrase wahrgenommen wird. Man gewinnt keine Fürsprecher für Kunststoffe, wenn wir nur an der Oberfläche bleiben.
Was ist denn zu tun?
Sattel: Wir sind verpflichtet, in der Öffentlichkeit zu erklären, dass wir nicht nur offen sind für nachhaltige Produkte. Sondern dass wir auch willig sind, Technologien zu forcieren, die vielleicht nicht unmittelbar zu erhöhtem Profit führen. Dass wir Innovationen anstreben, deren Nutzen erst in ein paar Jahren deutlich wird. Das ist der eine wesentliche Punkt. Der zweite wichtige Punkt ist das Werben um neue Mitarbeiter in der Öffentlichkeit. Damit wir in Zukunft überhaupt noch hochqualifizierte Leute in unserem Bereich bekommen und unsere innovativen Technologien vorantreiben können. Wir stehen im Wettbewerb mit vielen Branchen. Wenn wir nicht glaubwürdig für Nachhaltigkeit eintreten, werden wir die jungen Menschen nicht bekommen.
Wo muss man ansetzen, um Nachwuchs zu sichern?
Sattel: Wir müssen die Menschen direkt adressieren. Angefangen in unserem unmittelbaren Umfeld. Wir müssen sichtbar werden, als Unternehmen, als Arbeitgeber, als Teil der Region. Und zeigen, dass wir es ernst meinen mit Nachhaltigkeit, im Kleinen wie im Großen. Wir müssen die Menschen ansprechen, bevor sie vielleicht überlegen, sich bei uns zu bewerben. Ein gutes Image als Unternehmen aufbauen. Deshalb planen wir, im Herbst einen Familientag einzuführen. Die Mitarbeiter können ihren Kindern dann konkret zeigen, was sie tun und was für ein Unternehmen wir sind. Solche Aktivitäten werden wir forcieren, ungeachtet des derzeit konjunkturellen Gegenwinds.
Der Nachwuchsmangel betrifft auch Ihre Kunden. Wird das die Entwicklung hin zur "mannlosen" Maschine beschleunigen?
Sattel: Das ist in der Tat der Weg. Er wird geebnet durch die Digitalisierung. Durch die Vernetzung der Produktion haben wir heute Daten darüber, wie die Maschinen in einer Gesamtanlage genutzt werden. Der Druck der Kunden bezüglich Effizienz hat dazu geführt, dass wir hochautomatisierte Systeme anbieten, die aber einfach zu bedienen sind. Diesen Druck gab es früher nicht. Heute ist das Ziel, dass eine Anlage autark läuft.
Welche Rolle spielt die Effizienz?
Sattel: Wir gehörten zu den ersten in unserer Branche, die auf vollelektrische Maschinen gesetzt haben. Weil die Energiekosten in den letzten zehn Jahren dramatisch gestiegen sind, ist die Nachfrage danach entsprechend hoch. Die klassischen hydraulischen Spritzgießmaschinen sind sehr energieintensiv. Etwa, weil Ölpumpen darin immer laufen, auch wenn gerade nicht produziert wird. Durch unser japanisches Mutterhaus haben wir die vollelektrischen Maschinen ins Produktportfolio bekommen. Wir waren also schon sehr gut aufgestellt, als der Nachhaltigkeitstrend mit Wucht durchschlug. Das Ziel der Nachhaltigkeit auf der einen Seite und die hohen Energiekosten auf der anderen Seite führen gerade dazu, dass die Produktion überall viel energieeffizienter wird. Wir haben die komfortable Situation, dass wir die Technologie hierfür schon lange einsetzen, während andere sie erst entwickeln müssen. Wegen der Effizienzvorteile der vollelektrischen Maschinen haben wir auch beschlossen, dass wir ab 2026 in Europa keine vollhydraulischen Maschinen mehr bauen werden. In Asien werden diese jedoch nach wie vor gefertigt und in den relevanten Märkten angeboten.
Können auf den vollelektrischen Maschinen auch alternative Materialien verarbeitet werden?
Sattel: Die Entwicklung neuer Materialien, etwa biologisch abbaubare, ist der nächste Schritt auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Es ist eine große Herausforderung, aber zugleich auch eine große Chance. Denn sollte es uns hier in Europa gelingen, bahnbrechende neue Materialien zu entwickeln, könnten wir damit komplett neue Märkte öffnen. Wir hätten dann einen strategischen Vorteil gegenüber den nichteuropäischen Wettbewerbern. Der durch den Nachhaltigkeitstrend ausgelöste Druck zur Innovation, brächte damit auch einen großen ökonomischen Vorteil.
Wo liegen denn die Herausforderungen?
Sattel: Die sind vielfältig. Die Rahmenbedingungen sind nicht gut. Technologisch geht es wirklich aufwärts, aber die neuen Materialien und auch Rezyklate sind meist teurer als die auf Rohöl basierende Neuware. Wenn der Preis für das fossile Rohmaterial sehr niedrig ist, hat kein Mensch mehr Interesse an Rezyklat. Auch haben die traditionellen Hersteller von Kunststoff meist kein Interesse daran, alternative Materialien zu fördern. Eine weitere Herausforderung ist der aktuell stattfindende Generationenwechsel. Wir brauchen gerade extrem viel Know-how, aber die Leute, die das haben, gehen nach und nach in Rente. Die Jüngeren sind zwar ebenfalls gut, aber sie haben einen viel geringeren Erfahrungsschatz. Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass der gesamtgesellschaftliche Wandel durchaus ein großes Innovationspotenzial hat.