Herr Carta, welche Strategien setzen Sie als mittelständisches Unternehmen ein, um trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen langfristig Wachstumspotenzial zu identifizieren?
Andrea Carta: Die Familie Kurtz und die Geschäftsführung haben darauf geachtet, den Konzern durch drei Standbeine zu stärken, die auch unabhängig voneinander funktionieren: Electronics Production Equipment, Moulding Machines und Automation. Wir schauen uns kontinuierlich nach Erweiterungen für diese Geschäftsbereiche um und fragen uns immer, ob und in welchem Bereich wir vielleicht ein viertes Standbein etablieren sollten. Es ist für uns enorm wichtig, nicht von einem Geschäft oder einer Branche abhängig zu sein. Zwischen unseren drei Geschäftsbereichen gibt es zwar viele gemeinsame Projekte, aber jeder Bereich betreibt sein Geschäft eigenständig.
Wie wichtig ist es, gerade auch in der aktuellen Situation, nah am Kunden zu sein?
Carta: Angesichts der vielen multinationalen Krisen der jüngeren Vergangenheit tun wir schon seit einigen Jahren viel, um unseren Global Footprint zu vergrößern. Wir haben schon früh eigene Produktionsstandorte außerhalb Deutschlands gegründet – in den USA, in China und im vergangenden Jahr auch in Mexiko. Da wir dort produzieren, sind wir weniger anfällig für Zölle. Abgesehen von den geopolitischen Vorteilen bin ich immer der Meinung gewesen, dass man nicht die ganze Welt von Deutschland aus beglücken kann. Die Kundenanforderungen sind in den Ländern jeweils unterschiedlich. Deshalb ist es wichtig, sehr nah am Kunden zu sein, um Anforderungen besser zu erkennen und zu bedienen. Ist zum Beispiel in einem Land der Automationsgrad noch niedrig, müssen wir dort Maschinen anbieten, die mit mehr Personal bedient werden, als das in Ländern mit hohem Automationsgrad der Fall ist. Es ist unglaublich wichtig, die richtigen Produkte in die jeweiligen Märkte zu bringen. Kurtz macht das als Mittelständler schon länger. Aus meiner Sicht ist das vorbildlich.
Welchen Stellenwert hat Ressourcenschutz in den verschiedenen Märkten?
Carta: In Europa sind wir schon sehr weit. Hier führt eine starke Regulierung dazu, dass viele Produkte und Verfahren entwickelt werden, die der Umwelt und der Nachhaltigkeit dienen. Das ist auch ein Vorteil gegenüber dem Wettbewerb. Denn wer diese Anforderungen nicht hat, bringt sie auch nicht in die Produkte. In China hat Nachhaltigkeit inzwischen einen hohen Stellenwert. Für uns als Maschinenbauer ist China daher ein Markt für nachhaltige Lösungen. Japan und Korea würde ich in etwa auf demselben Level wie Europa sehen. Südostasien ist noch nicht so weit. In Südamerika ist die Idee des Ressourcenschutzes noch nicht sehr weit entwickelt. Problematisch sehe ich die Entwicklung in den USA. Die Politik ist sehr sprunghaft, je nachdem, welcher Präsident gerade amtiert. Das bringt große Unsicherheit, inwieweit man dort auf Nachhaltigkeit setzt oder nicht.
Wie kann mehr Effizienz dazu beitragen, den Kunststoffeinsatz zu verringern?
Carta: Der Schlüssel zu mehr Effizienz ist der Prozess. Hier sind wir im deutschen Kunststoffmaschinenbau führend. Wir kennen die Komplexität der Prozesse und können damit umgehen. Prozessverständnis und die richtigen Maschinen zu haben bringt zwei große Vorteile. Zum einen bringt der exakte Einsatz von Material schon Effizienzvorteile. Wir bei Kurtz werden auf der nächsten K-Messe eine neue Dosierung vorstellen, die so exakt ist, dass man dadurch fünf bis zehn Prozent Material einsparen kann. Zum anderen haben wir die Prozesse, die dafür sorgen, dass weniger Ausschuss produziert wird. Das sind die beiden Stellschrauben. Was die Prozesse betrifft, sind wir noch immer viel weiter als die Chinesen.
Wo steht die Kreislaufwirtschaft aktuell?
Carta: Kreislaufwirtschaft ist ein Prozess, der lange dauern wird. Der europäische Maschinenbau steht da noch am Anfang. Ich denke, man muss dem Maschinenbau die Chance geben, die nötigen Prozesse zu entwickeln. Ich sehe das Ziel nicht darin, 100 Prozent des Altkunststoffes zu recyceln. Ich sehe das aus der Business-Perspektive: Deutschland ist weiter als alle anderen. Wir haben hier ein Alleinstellungsmerkmal und das sollten wir nutzen, um weiteres Geschäft zu machen. Gehen alle mit? Nein, es gehen nicht alle mit. In vielen Ländern wird noch gar nicht recycelt. In vielen anderen Ländern wird aber immer mehr recycelt. Ich glaube, die Kreislaufwirtschaft braucht weitere Förderungen und Forderungen. Wir sind auf dem richtigen Weg, sowohl mit Blick auf Umwelt als auch Industrie. Wir entwickeln sehr viele Technologien – weil wir dadurch eine Vorreiterrolle innehaben, wird das unserem Geschäft in der Welt zugutekommen.
Welches Potenzial hat Künstliche Intelligenz dabei?
Carta: KI wird unser Geschäft massiv verändern. Unsere Maschinen erzeugen über ihren Lebenszyklus Milliarden von Daten. Und Daten sind das, was eine KI braucht, woraus sie lernen kann. Mithilfe von KI wird man zum Beispiel Rezyklate besser herstellen und verarbeiten können. Die KI wird lernen, welche Materialschwankung wie zu behandeln ist. Man könnte argumentieren, dann brauche es die Prozesshoheit nicht mehr, die wir in Deutschland haben. Das ist nur vordergründig richtig. Um die Prozesshoheit zu erhalten, müssen wir mehr investieren als alle anderen. Wir müssen unsere Maschinen so schnell wie möglich KI-fähig machen. Sonst kommen andere und dann ist es für uns zu spät.
Das Motto der K ist sehr selbstbewusst: "The Power of Plastics". Worin besteht diese Power?
Carta: Kunststoff hat die Welt besser gemacht und wird sie in Zukunft noch besser machen. Was Kunststoff ermöglicht, hat kein Material vorher geschafft – außer vielleicht Metall. Kunststoff ist die Basis für die Lebensqualität, an die wir uns gewöhnt haben. Ohne Kunststoff ist die Welt nicht mehr denkbar. Er hat Nachteile, wie jedes andere Material. Ist alles gut, was mit Kunststoff gemacht wird? Nein, ist es nicht. Aber in manchen Einsatzbereichen ist er das bestmögliche Material. Sollte man weniger Kunststoffverpackungen einsetzen? Wahrscheinlich ja. Aber grundsätzlich ist Kunststoff ungemein wertvoll. Deswegen finde ich das selbstbewusste Motto der K sehr gut.