Herr Dr. Schumacher, die nächste K steht unter dem Motto “The Power of Plastics – Green – Smart – Responsible”. Wie kam dieses Motto zustande?
Christoph Schumacher: Es ist im Grunde das Resultat einer längeren Entwicklung. Die Erkenntnis, dass die Lösung von Nachhaltigkeitsfragen zunehmend wichtig und dringend wird, hat sich in Vorbereitung auf die K 2019 erstmals laut artikuliert. Es ging damals zunächst um Bewusstseinsschaffung, es wurde ein gemeinsames Verständnis der Branche für diese Problematik hergestellt. Schlagworte wie Circular Economy rückten in den Mittelpunkt. Auf der K 2022 hat der Kunststoffmaschinenbau dann erstmals in großem Rahmen gezeigt, was alles an Lösungsangeboten vorhanden war, etwa in Sachen Recycling. Es gab eine VDMA-Sonderschau, an der sich auch Arburg mit einem eigenen Pavillon beteiligt hat. Auf der K 2025, wollen wir nun die Kraft und auch die Fähigkeit zur Zukunftsgestaltung sowohl des Materials Kunststoff als auch der Branche in allen Facetten herausstellen. Daher das durchaus selbstbewusste – und meines Erachtens wirklich aussagekräftige – Motto.
Welche Botschaft soll damit gesendet werden?
Schumacher: Wir wollen damit verdeutlichen, dass wir die gesellschaftliche Brisanz der Problemstellung verstanden haben. Und gleichzeitig zeigen, dass der deutschsprachige Maschinen- und Anlagenbau in herausragender Weise zur Lösung der Probleme beitragen kann. Hier gefällt mir immer ganz besonders der Begriff „Enabler“. Etwa, indem er Technologien bereitstellt, die Circular Economy ermöglichen. Damit hilft er, Ressourcen zu schonen und gleichzeitig eine gezielte Mehrfachverwertung in den Griff zu bekommen. Es gibt aus meiner Sicht ganz wenige Industrien, die sich derart intensiv mit diesen gesellschaftlichen und ökologischen Aufgaben beschäftigen, wie das die kunststoffverarbeitende Industrie seit Jahren tut. Gleichzeitig wollen wir herausstellen, dass Kunststoff als Werkstoff schlicht unverzichtbar ist. Man braucht ihn zur CO2-Reduktion, in der Elektromobilität, im Leichtbau, in der Medizin, für Verpackungen. Während der Corona-Pandemie haben wir ja erlebt, dass alles, was nicht durch Kunststoff geschützt war, schlicht lebensgefährdend sein konnte. Damals haben wir als Branche diesen Stimmungsumschwung vielleicht nicht intensiv genug genutzt. Wir nehmen die Verantwortung an, uns mit der Wiederverwertung noch viel mehr auseinanderzusetzen. “Power of Plastics” zeigt unsere Überzeugung, dass ohne Kunststoff ein modernes Leben in Zukunft nicht möglich sein wird.
Und was ist mit “Green – Smart – Responsible”?
Schumacher: Diese drei Dimensionen zeigen, woraus die „Power” entsteht. „Green“ steht dabei für die Wege, die zu mehr Nachhaltigkeit führen. „Smart“ bezieht sich auf die Technologien, auf die man zum Beispiel im Rahmen der Digitalisierung zurückgreifen kann. „Responsible“ beschreibt die gesellschaftliche Verantwortung allgemein, aber auch, dass wir das quantitative wie qualitative Nachwuchsproblem bei Fachkräften in Angriff nehmen. Unsere Kunden erwarten von uns als Maschinen- und Anlagenbauer eine Lösung für diese Aufgabe: immer komplexere Produkte mit immer komplexeren Maschinen, mit immer unkomplexeren Menschen herzustellen.
Inwieweit passt das K-Motto zu Arburg?
Schumacher: Das passt sehr gut in allen drei Dimensionen, da diese schon lange sozusagen die Genetik unseres Unternehmens bilden. Wir haben die Fragen der Nachhaltigkeit schon vor vielen Jahren in dem Programm arburgGREENworld gebündelt, und die Fragen der Digitalisierung in einem Programm namens arburgXworld. Und das führen wir in der arburgSOLUTIONworld zusammen: ein Lösungsangebot für alle Fragen unserer Kunden. Hinzu kommen zahlreiche Kooperationen mit Initiativen wie R-Cycle oder mit Start-ups im Bereich Material. Verantwortung liegt schon deshalb in der Natur unseres Unternehmens, weil wir mit unserem Standort im ländlichen Loßburg seit je auf einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und auf ein gutes Miteinander mit unseren Beschäftigten angewiesen sind.
Ist ein grüner, intelligenter und verantwortungsvoller Kunststoffmaschinenbau auch ein funktionierendes Geschäftsmodell?
Schumacher: Die Lösung der im Raum stehenden Fragen ist ein gutes Geschäftsmodell für den deutschsprachigen Spritzgießmaschinenbauer, so viel kann ich auf jeden Fall sagen. Man kann diese Lösungen in die ganze Welt exportieren, man kann damit Geld verdienen. Viele unserer Wettbewerber, vor allem aus dem asiatischen Raum, können da nicht mithalten. Andererseits sind die Märkte in Asien diejenigen, die am schnellsten wachsen. Dort wird man auch nachhaltige Maschinentechnologie brauchen. Das sind genau die Chancen, die das Geschäftsmodell bietet.
Wie sieht die Zukunft des Kunststoffmaschinenbaus aus?
Schumacher: Der Kunststoffmaschinenbau wird sich weiterhin sehr gut entwickeln. Diese Industrie hat seit beinahe 100 Jahren immer wieder bewiesen, dass sie anpassungsfähig ist und Lösungen für anstehende Aufgaben entwickeln kann. Es ist diese Enablerschaft, die sie auszeichnet. Überdies sind die Chancen, die im Werkstoff Kunststoff liegen, noch gar nicht voll ausgeschöpft oder noch gar nicht erkannt. Ganz grundsätzlich glaube ich, dass modernes Leben für immer mehr Menschen auf dieser Welt ohne Kunststoff nicht denkbar ist. Aber die Entsorgung, die Wiederverwertung, die Gestaltung und das Design von Kunststoffprodukten, die Materialeinsparung, und der möglichst sinnhafte Einsatz dieses Materials, das sind Felder, in denen noch viel zu tun ist. Ich bin deshalb überzeugt, dass die Kunststoffverarbeitung in zehn Jahren ohne Circular-Economy-Systeme nicht mehr machbar sein wird.