Herr Dr. Bailet, was war die Motivation für die Entwicklung des NextSpace TestRig?
Gilles Bailet: In der Raumfahrtindustrie werden fortschrittliche Werkstoffe und additive Fertigung rasch eingeführt, aber es fehlen realistische Testmethoden, um zu verstehen, wie sich diese Werkstoffe in der tatsächlichen Weltraumumgebung verhalten. Herkömmliche Qualifizierungsmethoden ignorieren oft die extremen Bedingungen, die in der Umlaufbahn oder auf dem Mond herrschen - insbesondere die kombinierten Auswirkungen von Ultrahochvakuum und thermischen Zyklen. Das NextSpace TestRig, das von der britischen Raumfahrtbehörde (UK Space Agency - UKSA) finanziert wird, wurde entwickelt, um diese Lücke zu schließen. Unser Ziel war es, eine bodengestützte Plattform zu schaffen, die in der Lage ist, weltraumähnliche Umgebungen bei gleichzeitiger mechanischer Belastung zu simulieren, um besser vorhersagen zu können, wie sich Materialien in missionskritischen Szenarien verhalten.
Welche spezifischen Bedingungen können mit dem NextSpace TestRig simuliert werden - und warum sind sie für die Materialprüfung so wichtig?
Bailet: Das TestRig, das in unserem NextSpace TestRig untergebracht ist, kann gleichzeitig Ultrahochvakuum (~10-⁶ mbar) und extreme thermische Zyklen (-100°C bis +200°C) simulieren und gleichzeitig mechanische Prüfungen in Echtzeit (bis zu 20.000 Newton Kraft) durchführen. Diese Kombination ist von entscheidender Bedeutung, da viele Materialien - insbesondere Polymere und Verbundwerkstoffe - unter solchen Bedingungen erhebliche Veränderungen der Bruchfestigkeit, Steifigkeit oder der Versagensarten erfahren. In einem Test beobachteten wir bei einem 3D-gedruckten Polymer (Nylon PA12) eine um 43 % geringere Bruchdehnung, wenn es im Vakuum und nicht bei Umgebungsbedingungen getestet wurde. Diese Effekte sind in herkömmlichen Laborumgebungen einfach nicht sichtbar, aber sie sind entscheidend für die Entwicklung sicherer und zuverlässiger Komponenten für Weltraummissionen.