Fluorkunststoffe im Fokus: Zwischen Umweltschutz und Industriebedarf

Die Debatte um Fluorkunststoffe und ihre umweltrelevanten Auswirkungen erreicht einen neuen Höhepunkt. Während Umweltschützer ein Verbot von PFAS (per- und polyfluorierten Alkylverbindungen) fordern, warnen Industrieverbände vor den weitreichenden Folgen für zahlreiche Anwendungsbereiche. Ein Blick auf die Argumente und Herausforderungen.

Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) sind eine Gruppe von Chemikalien, die aufgrund ihrer besonderen Molekülstruktur, in der Fluoratome an Kohlenstoffketten gebunden sind, eine hohe Beständigkeit aufweisen. Diese Eigenschaft macht PFAS in vielen Anwendungen nützlich, führt jedoch auch zu ihrer Langlebigkeit in der Umwelt und zu Bedenken hinsichtlich ihrer potenziellen Umwelt- und Gesundheitsschäden.

PFAS werden oft als "ewige Chemikalien" bezeichnet, da sie sich in der Umwelt und in lebenden Organismen anreichern können, ohne sich abzubauen. Ihre Verwendung in einer Vielzahl von Produkten, von Antihaftbeschichtungen über Feuerlöschschäume bis hin zu wasserdichten Textilien, hat zu ihrer weit verbreiteten Präsenz in der Umwelt und in menschlichen Körpern geführt.

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat aufgrund dieser Bedenken die Möglichkeit eines umfassenden Verbots von PFAS ins Auge gefasst, das alle 38 Fluorkunststoffe, eine Untergruppe von PFAS, einschließen könnte. Ein solches Verbot wäre eines der weitreichendsten in der Geschichte der Chemikalienregulierung und würde einen erheblichen Einfluss auf viele Industriezweige haben.

Industrieverbände wie PlasticsEurope, die die Kunststoffindustrie repräsentieren, haben Bedenken hinsichtlich der möglichen Auswirkungen eines solchen Verbots geäußert. „Wir unterstützen den Schutz von Menschen und Umwelt und damit auch, dass alles getan wird, um zu vermeiden, dass schädliche Substanzen in die Umwelt gelangen“, sagt Thorsten Kühmann, Geschäftsführer des Fachverbands Kunststoff- und Gummimaschinen im VDMA. „Die in Maschinen eingesetzten Stoffe sind grundsätzlich nicht gesundheitsgefährdend, aber notwendig für deren Funktionsfähigkeit. Die vorliegende PFAS-Regulierung ist eine Verbotsregulierung, die alle Stoffe ausschließt, wohingegen nur wirklich gefährliche Stoffe ausgeschlossen werden sollten. Allein dieser Ansatz hilft Menschen und Wirtschaft gleichermaßen!“ Im Gegensatz zu vielen anderen PFAS, die sich in der Umwelt und im menschlichen Körper anreichern können, werden Fluorpolymere aufgrund ihrer Größe und Struktur nicht in der gleichen Weise absorbiert oder akkumuliert. Diese Unterscheidung ist zentral in der Debatte über das geplante Verbot, da Fluorpolymere in einer Vielzahl von Anwendungen, von medizinischen Geräten bis hin zu Komponenten für erneuerbare Energien, unverzichtbar sind.

Fluorkunststoffe, die für ihre außergewöhnlichen Eigenschaften wie chemische Beständigkeit und Temperaturresistenz bekannt sind, spielen eine zentrale Rolle in vielen Sektoren der modernen Industrie. Ihre chemische Beständigkeit macht sie ideal für Anwendungen in der chemischen Industrie, wo sie als Beschichtungen und Dichtungen genutzt werden, um Ausrüstung vor korrosiven Substanzen zu schützen. Gleichzeitig ermöglicht ihre Fähigkeit, extremen Temperaturen standzuhalten, ihren Einsatz in Bereichen, die eine zuverlässige Leistung unter schwierigen thermischen Bedingungen erfordern, wie in der Luft- und Raumfahrtindustrie. Darüber hinaus besitzen sie ausgezeichnete dielektrische Eigenschaften, was sie zu wertvollen Isolatoren in der Elektronik und in elektrischen Systemen macht. Ihre glatte Oberfläche und der geringe Reibungskoeffizient machen sie zudem ideal für Anwendungen, in denen eine minimale Reibung erforderlich ist.

Die Debatte um das geplante Verbot von PFAS, zu denen auch Fluorkunststoffe gehören, ist in diesem Kontext besonders relevant. Während Umweltschützer aufgrund der umwelt- und gesundheitsschädlichen Eigenschaften vieler PFAS ein Verbot fordern, hebt die Industrie die einzigartigen Vorteile von Fluorkunststoffen hervor. "Ohne Fluorkunststoffe gäbe es keinen Green Deal", argumentieren beispielsweise die Bayerischen Chemieverbände. Bei einem Runden Tisch zum PFAS-Verbotsvorschlag der IHK, dass die verankerte Klimaziele ohne den Einsatz von Fluorpolymeren in nachhaltigen Technologien nicht erreichbar wären.

Ein Verbot könnte zudem weitreichende Auswirkungen auf zahlreiche Industriezweige haben, einschließlich jener, die für die Umsetzung des europäischen Green Deals von zentraler Bedeutung sind. In diesem Spannungsfeld zwischen Umweltschutz und industriellen Anforderungen wird die Suche nach einem ausgewogenen Weg, der sowohl den Schutz der Umwelt als auch die Bedürfnisse der Industrie berücksichtigt, zu einer zentralen Herausforderung.

Die Suche nach Alternativen zu PFAS und die zukünftige Forschung in diesem Bereich konzentrieren sich auf die Entwicklung neuer Materialien, die sowohl umweltfreundlich als auch effizient sind.

Ein Beispiel für ein solches Projekt ist das EU-Projekt ZeroF, das vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC geleitet wird und auf die Entwicklung von PFAS-freien Verpackungen und Textilien abzielt. Das Ziel des Projekts ist es, funktionale Substitute für PFAS zu schaffen, insbesondere in Bereichen wie Lebensmittelverpackungen und technischen Textilien. Die Herausforderung besteht darin, Beschichtungen zu entwickeln, die wasserabweisend sind, aber gleichzeitig als wasserbasierte Lösung aufgetragen werden können, was eine Anforderung der Textilindustrie ist. ORMOCER®-Beschichtungen, eine Klasse von Hybridmaterialien, werden im Projekt ZeroF verwendet, um eine Vielzahl von Anpassungsmöglichkeiten für diese komplexe Aufgabe zu bieten​​.

Darüber hinaus gibt es Bemühungen, Alternativen für PFAS in Papier-Lebensmittelverpackungen zu finden. Diese Alternativen sollen die hohen Wasser- und Fettbeständigkeitseigenschaften von PFAS ersetzen, während sie die Gesundheitsrisiken für Menschen minimieren. Große Unternehmen wie Amazon und McDonald's haben bereits begonnen, PFAS aus ihren Lebensmittelverpackungen zu entfernen, und verschiedene Studien und Bewertungen identifizieren sicherere Alternativen für den Einsatz in Lebensmittelverpackungen​​.

Die Debatte um Fluorkunststoffe und das geplante PFAS-Verbot zeigt die Komplexität der Herausforderungen, denen sich unsere Gesellschaft gegenübersieht. Während der Schutz der Umwelt von größter Bedeutung ist, müssen die Bedürfnisse der Industrie und die Bedeutung dieser Materialien für zahlreiche Anwendungen berücksichtigt werden. Ein ausgewogener Ansatz, der Innovation fördert und zugleich Umweltaspekte berücksichtigt, könnte der Schlüssel zur Lösung dieses Konflikts sein.