Biologisch abbaubare Geotextilien für naturnahe Ufersicherungen

Stabile Ufersicherungen sind essenziell für den Schutz von Wasserstraßen, doch klassische Methoden wie Steinschüttungen gelten als wenig naturnah. Fraunhofer UMSICHT hat nun gemeinsam mit Partnern ein Geotextil entwickelt, das sowohl biologisch abbaubar als auch technisch belastbar ist. Die Kombination aus PLA und Naturfasern verbindet ökologische Verträglichkeit mit Funktionalität.

Im Interview erklärt Projektleiterin Pia Borelbach, wie das Material funktioniert, warum es sich für den breiten Einsatz eignet – und in welchen Anwendungen es über den Wasserbau hinaus Potenzial hat.

Frau Borelbach, welche materialtechnischen Besonderheiten zeichnen das entwickelte Geotextil aus?

Pia Borelbach: Das entwickelte Geotextil zeichnet sich durch spezifische materialtechnische Besonderheiten aus, die sowohl ökologische Verträglichkeit als auch technische Belastbarkeit gewährleisten. An den Ufern von Wasserstraßen wirken hohe hydraulische Belastungen, insbesondere durch die Schifffahrt. Unser Geotextil erfüllt die von der BAW geforderten mechanischen Mindestwerte, hält den Boden effektiv zurück und bleibt gleichzeitig ausreichend durchlässig, um Wasserüberdruck unter dem Geotextil zu vermeiden. Diese Eigenschaften wurden über einen Zeitraum von drei Jahren in einem Freilandversuch an der BAW-Versuchsstrecke am Rhein erfolgreich nachgewiesen.

Das Geotextilvlies besteht aus einer Kombination von Polymilchsäurefasern (PLA) und Naturfasern. Die PLA-Fasern sorgen für langanhaltende Stabilität, während die Naturfasern schneller abbauen und Wurzelkanäle freigeben, um eine gute Durchwurzelbarkeit zu gewährleisten. Zudem ist es so konzipiert, dass es sich langfristig vollständig biologisch im Boden abbaut. Die Probenentnahmen nach drei Jahren am Rhein haben einen beginnenden Abbau der PLA-Fasern gezeigt. In weiteren Probenentnahmen nach fünf und zehn Jahren werden wir die biologische Abbaubarkeit unter Wasserstraßenbedingungen auch nach Projektende weiter beobachten. Obwohl die Durchwurzelbarkeit mit Weidenspreitlage möglich war, beeinträchtigte das Geotextil die Wurzel- und Sprossbildung. Daher wurde 2024 ein optimiertes Geotextil an einer anderen Stelle der Versuchsstrecke unter Weidenspreitlage und Saatgutmatten eingebaut. Hier liegen uns noch keine Versuchsergebnisse vor.

Welche industriellen Fertigungsverfahren sind für die Herstellung der Geotextilien geeignet – und wie realistisch ist eine Skalierung für den breiten Einsatz?

Borelbach: Für Geotextilien gibt es generell unterschiedliche Herstellverfahren für Vliese, Gewebe und andere, je nach den Anforderungen an die Textilien. Die Bioshoreline-Geotextilien wurden wegen der geforderten Filterwirkung, des hohen Flächengewichts und der Kombination aus PLA und Naturfasern als Krempelvliese hergestellt, welche mechanisch mittels Nadeln verfestigt wurden. Die eingesetzten PLA-Stapelfasern gehören bereits zur Produktpalette des Projektpartners Indorama Ventures Fibers Germany GmbH, auch die eingesetzten Naturfasern sind marktverfügbar. Die Vliese wurden beim Projektpartner BNB Brinkman GmbH & Co. KG auf einer industriellen Anlage gefertigt. Einer Skalierung für einem breiten Einsatz steht also sowohl von Seiten der Rohstoffe als auch fertigungstechnisch nichts im Weg.

Welche Nachhaltigkeitsvorteile bieten die Geotextilien konkret im Vergleich zu klassischen Uferbefestigungssystemen?

Borelbach: Klassische Uferbefestigungen für Wasserstraßen sind aufgrund der hydraulischen Belastung technische Deckwerke, also Steine oder Beton. Geotextilien ermöglichen eine natürlichere Gestaltung der Wasserstraßenufer durch die Integration von Vegetation, was die Schaffung vielfältiger Lebensräume für ufertypische Pflanzen und Tiere fördert und so die Biodiversität erhöht. Darüber hinaus sind biologisch abbaubare Geotextilien umweltfreundlicher, da sie sich nach ihrer Nutzungsdauer im Boden zersetzen und im Gegensatz zu herkömmlichen Kunststoffgeotextilien keine dauerhaften Rückstände hinterlassen. Begrünte Ufer tragen zudem langfristig zur Verbesserung der Wasserqualität bei, indem sie Schadstoffe und Nährstoffe effektiv binden und aufnehmen, was das Risiko von Eutrophierung verringert und ein gesünderes aquatisches Ökosystem unterstützt.

Welche Branchen und Anwendungen jenseits des Uferbaus könnten ebenfalls vom Einsatz biologisch abbaubarer Geotextilien profitieren?

Borelbach: Biologisch abbaubare Geotextilien bieten vielfältige Anwendungsmöglichkeiten über den Uferbau hinaus. Besonders dort sind sie sinnvoll, wo eine temporäre Stabilisierung erforderlich ist und eine dauerhafte Installation nicht zweckmäßig oder umweltverträglich wäre. Das kann beispielsweise eine Hangbefestigung sein, bei der später die Bepflanzung den Erosionsschutz übernimmt. Oder temporären Baustraßen insbesondere bei Projekten wie dem Bau von Windrädern. Diese Straßen werden oft über landwirtschaftliche Flächen geführt und nur für die Dauer des Bauvorhabens benötigt. Nach Abschluss des Projekts ermöglichen die abbaubaren Materialien eine einfache Rückführung zur ursprünglichen Nutzung des Bodens, ohne dauerhafte Umweltbelastungen zu verursachen. Auch im Bereich der Umwelt- und Renaturierungsprojekte könnten biologisch abbaubare Geotextilien zukünftig eine wichtige Rolle spielen.